Seiten

Dienstag, 30. April 2013

Schreckgeweitete Augen



"So kann die Mehrheit einer Bevölkerung extrem selbstentfremdet und hochpathologisch leben, ohne dass das wahrgenommen wird, weil eben 'alle' so sind. Der eine hingegen, der authentisch lebt, sich selbst gut verwirklicht und Begrenzungen akzeptiert, die Realität erkennt und der Wahrheit nahe ist, wird abgelehnt, verfolgt und womöglich aus der Gemeinschaft entfernt."
Hans-Joachim Maaz, Die narzisstische Gesellschaft, S. 47/48



Es hat sich in den reichen Industriegesellschaften eine unheilige Arbeitsteilung etabliert: Die Macher beherrschen die Szene. Die Lauten, die "Ich bin ok! Ich bin toll!"-Typen, die Unreflektierten, also ausgerechnet diejenigen, die aufgrund ihrer Unreflektiertheit eigentlich inhaltlich nicht viel zu sagen haben, während den Stillen, Nachdenklichen die Rolle des dankbaren Publikums zugewiesen wird, das ihren Sprechblasen Beifall zollen soll. Auf kurzfristige Ergebnisse ausgelegtes, extravertiertes Risiko- und erfolgsorientiertes Verhalten dominieren, Immanenz, Hedonismus, Selbstverwirklichung, hemmungsloser Egoismus und Narzissmus.

Sonntag, 28. April 2013

Reif zur Übernahme I


"In Deutschland gilt derjenige als viel gefährlicher, der auf den Schmutz hinweist, als der, der ihn gemacht hat."
Carl von Ossietsky, 1889 – 1938, Journalist und Schriftsteller



Welle. Aquarell
Sommer 2011. Eine Szene aus einer Kleinstadt in einer strukturschwachen, sprich armen Region. In der Hauptgeschäftsstraße  - einer Einbahnstraße – hält ein weißes Benz Cabrio mit Ledersitzen auf der falschen Straßenseite – zum Parken hat die andere Straßenseite entsprechende Parkbuchten, einige davon sind noch frei -, direkt vor einer Fleischerei. Der Fahrer ist ein älterer Herr mit Halbglatze und Schiebermütze. Er hört bis zum Anschlag aufgedrehte deutsche Schlagermusik. Er steigt aus, geht die zehn Schritte ins Geschäft, kauft ein. Die ganze Zeit spielt die Musik auf voller Lautstärke. Nach dem Einkauf in der Schlachterei zockelt er im Schritttempo weiter die Hauptstraße hinunter.

In der Kuschelhöhle


"Walking in cities of stone, the shadows groan
Thousands of people but you're all alone
In your own little zone like a drone
Working in hives all your lives, bowing down to the throne
Born into the age of panic
Into an age of panic
Born into an age of panic
Into an age of panic"
Senser, Age of Panic, 1994



Abstrakt, Aquarell
Die Menschen sind heute so über alle Maßen orientierungslos und überfordert, dass sie scharenweise zum erstbesten, unzweideutigsten Nenner flüchten, an dem sie ihre Biografie, ihre Identität oder das, was sie dafür halten, festmachen können. Als da vor allem wären: das Geschlecht, die Staatszugehörigkeit, der Geburtsort, die Religionszugehörigkeit, der Geburtenjahrgang -  all diese in den meisten Fällen vollkommen kontingenten Fixpunkte sollen nun Sinn und Trost stiften inmitten einer als chaotisch und bedrohlich empfundenen Welt.

Vor allem die Flut der Sendungen und Veröffentlichungen zum Thema Geschlechterunterschiede oder die "Generationen-Bücher" - Generation Golf, Generation X,Generation 2.0., Generation Doof, Generation Praktikum, Generation Ally, und wie sie alle heißen - muss doch allmählich jedem auffallen, ebenso die Wiederkehr der Männerbünde und Burschenschaften, die Heimatseligkeit in den TV-Regionalprogrammen, der Lokalpatriotismus mit seinen Straßen-, Stadtteil- und Dorffesten, der Nationalismus hinter der Fassade des Fussballs, der zunehmende religiöse Fundamentalismus jeglicher Couleur.

Vor der Wahl ist nach der Wahl


Anlässlich der letzten Bundestagswahl 2009 habe ich eine Reihe von Recherchen betrieben, deren Ergebnisse ich aus Zeitmangel nicht rechtzeitig fertigstellen und in öffentlichen Online-Foren posten konnte. Inzwischen steht die nächste Bundestagswahl an und an der Situation hat sich in den letzen 4 Jahren nicht viel geändert. Nachstehend also die entsprechenden Auszüge zum Thema: Unternehmenssteuerreform 2008 und die Folgen

Donnerstag, 11. April 2013

Märchenstunde für Erwachsene


"Die Macht kann großen Einfluss haben auf die geistig Schwachen."
Obi-Wan Kenobi, in: Star Wars IV, 1977, Regie: George Lucas



Berge und Licht, Aquarell
Seit Jahrzehnten werden uns Glaubenssätze wie "Wenn jeder für sich selbst sorgt, ist für alle gesorgt" (Google-Hits: 1.770.000, 19.10.2012) um die Ohren gehauen. Damit erteilen sich die Privilegierten selber Absolution, sprechen sich von jeglicher Mitverantwortung, von jeglicher Verpflichtung, von jeglicher Solidarität frei. Das Mantra der Eigenverantwortung ist selber ein Produkt des primitiven, monadischen, neoliberalen Menschenbildes: Hier das autonome, eigenverantwortliche Individuum, drumherum der Rest, d.h. die anderen autonomen, eigenverantwortlichen Individuen, ein Symptom der intellektuellen Unfähigkeit, Wechselwirkungen zu erkennen, der historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Bedingtheit von Werten, von Verhaltensnormen. Es kann gar kein Ich, kein Selbst, keine Identität ohne soziale Interaktion, ohne Gesellschaft geben. Ein Dogma, das die Wechselwirkungen zwischen Individuum und Gesellschaft und die allgegenwärtige strukturelle Gewalt komplett ausblendet, negiert, ist die Legitimation für reale und perpetuierte Ungerechtigkeit und Grausamkeit, für Menschenrechtsverletzungen, für die Verweigerung von existentiellen Selbstbestimmungs- und Lebenschancen.