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Donnerstag, 26. September 2013

Beste Kontakte


"Nicht der beste Bewerber bekommt den Job... sondern der mit den besten Kontakten."
XING - das professionelle Netzwerk



Namib-Wüste
Das oben genannte Zitat ist ein Werbespruch vom Karrierenetzwerk XING, der mir mal als GoogleAd aufgefallen ist - ein völlig ungeniertes Bekenntnis zur Klüngelwirtschaft. Leider habe ich es versäumt, rechtzeitig einen Screenshot zu machen. Mittlerweile hat das Netzwerk die Werbung anscheinend zurückgezogen, sie war ihr wohl selber schon zu peinlich geworden.

Nepotismus, Filz und Klüngel regiert in der Wirtschaft, genauso wie in der Politik. "Stallgeruch", verwandtschaftliche Beziehungen, das Parteibuch entscheiden über Job und Aufstieg oder Arbeitslosigkeit. Universitäten, Burschenschaften, Privathochschulen sind Kaderschmieden für den Elite-Nachwuchs. Die Vereinsmeierei hat in Deutschland Tradition.

Freitag, 20. September 2013

Irrationale Agenten


"Um wahr zu sein, müßte sich die Wissenschaft kritisch zu sich selber verhalten und auch zu der Gesellschaft, die sie produziert."
Max Horkheimer, Gesellschaft im Übergang, Frankfurt a.M. 1981, S. 183



Waldweg
Die Volkswirtschaftslehre, die Ökonomie als akademische Disziplin ist, wenn man bei Francois Quesnay's "Tableau économique" von 1758 ansetzt, etwas über 250 Jahre alt. Philosophisches Denken  - das systematische Reflektieren über und Infrage stellen von als selbstverständlich vorausgesetzten Phänomenen - lässt sich bis zu den Anfängen der Geschichtsschreibung um ca. 600 Jahre v. Chr. nachweisen. Philosophie ist eine Grundlagenwissenschaft. Das wird im heutigen verflachten Diskurs stets verdrängt oder marginalisiert. Wenn es überhaupt irgendeine Disziplin gibt, die von sich behaupten kann, sich gegenüber den Gefahren interner Betriebsblindheit so weit wie möglich immunisiert zu haben, dann die Philosophie. Das Hinterfragen der eigenen wissenschaftlichen Begrifflichkeit, Methoden und Prämissen ist hier ein Prinzip der Erkenntnisgewinnung und keine Freizeitbeschäftigung, kein Luxus, der in irgendwelchen Proseminaren, Wahlfächern und Weiterbildungskursen sein Schattendasein fristet.

Mittwoch, 18. September 2013

Reif zur Übernahme III



"Die alte jüdische Legende von den 36 unbekannten Gerechten, die immer da sind und ohne deren Anwesenheit die Welt in Scherben fiele, sagt letztlich darüber etwas aus, wie notwendig solch 'edelmütiges' Verhalten beim normalen Gang der Dinge ist."
Hannah Arendt, 1948,  Frieden oder Waffenstillstand im Nahen Osten?, S. 68 in dies.: Israel, Palästina und der Antisemitismus, Wagenbach, Berlin 1991, S. 39 - 75




Three Wise Monkeys stencil in Barcelona, Spain, 
by grahamc99, flickr
Deutschland ist mittlerweile ein potemkinsches Dorf. Die Regierung bedient nur noch eine privilegierte Minderheit, die in einer vollkommen abgeschotteten selbstreferentiellen Blase, einem Paralleluniversum lebt. Der Rest, die Mehrheit der Bevölkerung, ist abgeschrieben, sich selbst überlassen, nur noch mit dem zermürbenden Kampf um den bloßen Lebensvollzug, die nackte Existenz beschäftigt: Wohnungssuche, Jobsuche, Suche nach Kitaplätzen, Suche nach Zusatzeinkommen, nach Kreditangeboten, Suche nach der günstigsten KFZ-Werkstätte, der günstigsten Tankstelle, dem günstigsten Strom- und Mobilfunkanbieter, der Beschaffung von Drogen. Wenn die Hälfte der Gesamtbevölkerung, die 40 Millionen Menschen, denen seit Jahren das Wasser bis zum Hals steht, von heute auf morgen verschwinden würden, die Privilegierten würden es vielleicht noch nicht einmal merken. Totale Realitätsverleugnung. Auf dem Papier die viertgrößte Industrienation der Welt, mit einem der höchsten Bruttosozialprodukte, in der Realität, hinter den Pappkulissen verrottete Häuserzeilen, ausgestorbene Dörfer, kaputte Straßen und Bahnstrecken, Slums, organisierte Kriminalität, Gewalt, Armut, Krankheit - wie in den Entwicklungsländern.

Montag, 16. September 2013

Hatespeech


"The two biggest self-deceptions of all are that life has a 'meaning' and each of us is unique".
David Byrne, britischer Musiker, 2011



Blume. Pastell
Das Internet ist ein Verstärker, im Guten, aber leider mehr noch im Schlechten. Denn leider fallen die strukturellen Merkmale "sozialer" Netzwerke, nämlich als Humus, als Nährboden für asoziales Verhalten, für Vereinzelung, für die Verstärkung des Tunnelblicks, des Blinden Flecks, für Intoleranz und Schubladendenken stärker ins Gewicht, weil die Folgen für die Allgemeinheit, für alle User, für alle Menschen, sowohl online als auch offline spürbar unangenehmer sind: Stalking, feiges Denunziantentum, Voyeurismus, hemmungsloser Ego-Exhibitionismus, Rufmord, Betrug durch gefakte Profile, gefakte Rezensionen und Produktbewertungen, Internet-Pranger und Cyber-Mobbing, politische Propaganda durch Spin-Doktoren.

Soziale Verhaltensweisen werden einem im Web regelrecht abtrainiert, abgewöhnt. Das Netz ist mittlerweile komplett verseucht, der Freundschaftsbegriff auf Facebook vollkommen pervertiert. "Freunde" sind hier schlicht und ergreifend Marktkontakte, menschliche Kontakte sind eine Ware.

Das Verschwinden der Handschrift


Der Computer verändert das Denken. Nachhaltig. Das zeigt sich nicht nur in der Metaphern der Umgangssprache. Wenn vom Resetten die Rede ist, vom Neustart, vom Runterfahren, wenn Entspannung, vom Schaden auf der Festplatte, wenn das Gehirn gemeint ist.

Ich habe erlebt, wie einem langjährigen Computernutzer, nachdem er aus Versehen ein wichtiges Papierdokument geschreddert hat, ein rettendes Bild im Kopf aufstieg: der blaue Windows Rückgängig-Pfeil.


Dienstag, 3. September 2013

Rien ne va plus



"Much of what has gone on can only be described by the words"moral deprivation."
Joseph Stieglitz, The Price of Inequality, W. W. Norton & Company, 2012, p. XVII



Spinnenhund
Hätte mir jemand vor 30 Jahren prophezeit, dass ich mich eines Tages einmal - freiwillig ! - mit dem Banken- und Finanzsystem befassen würde, ich hätte ihn für verrückt gehalten. Ich interessiere mich für Kunst, Literatur, Musik, Wissenschaft, aber doch nicht für den schnöden Mammon. Im Herbst 2008 nach der Lehman-Pleite ist es allerdings tatsächlich so gekommen (was ich immer noch als absolute Zumutung empfinde). Seitdem lässt sich mein Gemütszustand am besten mit dem Begriff Fassungslosigkeit beschreiben. Viel ist über das Thema mittlerweile geschrieben und gesendet worden, aber die Texte, die mir am ehesten Klarheit  verschafft haben, sind die 9 Thesen zum Geld von Margrit Kennedy:

Montag, 2. September 2013

Arbeitslosigkeit als Krankheit

...oder als beglückende Möglichkeit der Kontemplation




Berge. Aquarell
„Was einer Gesellschaft Arbeit bedeutet, zeigt sich an ihrem Verhältnis zur Arbeitslosigkeit“ konstatiert treffend Christoph Türcke in seinem Aufsatz „Gottesgeschenk Arbeit. Theologisches zu einem profanen Begriff“. (In: Hamburger Adorno-Symposion. Dietrich zu Klampen Verlag 1984). Dieser Text ist heute leider immer noch so aktuell wie damals, gehörte aber nie zu den philosophischen Bestsellern. Es ist symptomatisch, dass solche und andere kritische Texte ein Nischendasein fristen oder – wenn überhaupt – nur im Eigenverlag erscheinen können.

Warum nur habe ich immer so ein ungutes Gefühl bei Politiker-Phrasen wie „Kampf gegen die Arbeitslosigkeit“. Für mich klingt das immer wie der Kampf gegen irgendeine Krankheit, gegen ein Ungeziefer, das ausgemerzt werden muss, gegen einen ansteckenden Virus. Ähnlich wie "Kampf gegen Aids". Die Arbeitslosenquoten würden dann den Ansteckungsgrad innerhalb der Bevölkerung abbilden. Warum nicht gleich konkret und ehrlich sagen: Kampf gegen die Arbeitslosen? Da begreift man doch endlich, worum es wirklich geht. Wie bekämpft man nun aber die Millionen von Arbeitslosen? Mit Gift? Geht ja schlecht, zu hohe Streuverluste. Wohin auch danach mit den Leichen? Aushungern durch 100%ige Streichung der Leistung? Schon eher eine Möglichkeit, verdirbt dann aber wieder die Kriminalitätsstatistik.


Die unaufhaltsame Verblödung der Deutschen


"In diesem Moment begriff er, dass niemand den Verstand benutzen wollte. Menschen wollten Ruhe. Sie wollten essen und schlafen, und sie wollten, dass man nett zu ihnen war. Denken wollten sie nicht."
Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt, Rowohlt Reinbek, 2009 .S. 55




Haus am Meer. Filzstift und Aquarell
Kürzlich hielt ein Marketing-Professor aus Krefeld in Dannenberg einen Vortrag zum Thema „Mit Charisma zum Erfolg – Nachhaltige Erlebnisorientierung bei Kommune und Handel“. Was in diesem Vortrag ebenfalls zur Sprache kam, waren Thesen zur zukünftigen Entwicklung unserer Gesellschaft, sogenannte Mega-Trends, mit denen sich auch Kommunen und Gewerbe auseinander zusetzen hätten und die unter anderem die Geburtenentwicklung betreffen. Ich war im Auftrag unserer Lokalzeitung zu diesem Vortrag geschickt worden und zitiere im Folgenden aus meinem Pressebericht vom 15. Mai 2006:
„Der Professor sparte (...) nicht mit klaren Worten: ‚Wer kriegt heute die Kinder - das gutverdienende Anwaltsehepaar oder der Schlosser und seine Ehefrau, die als Friseuse arbeitet?’ fragte er und ließ sein Publikum mitraten. Dieses wusste die richtige Antwort und tippte auf letzteres Beispiel. Die unerfreuliche Folge dieses Trends allerdings, sei, so ließ Schmitz keinen Zweifel, die unaufhörliche Verblödung der Deutschen’."