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Mittwoch, 16. Oktober 2013

Mulier taceat in ecclesia II

Fortsetzung von Teil I

Bordell Europas


Soll die Prostitution abgeschafft werden, fragte Günter Jauch in einer seiner Talk-Shows. Die deutschen Männer sind sich, laut Infratest-Umfrage, weitgehend einig: Nein. Leider auch die Frauen: Angeblich 78% von ihnen finden die derzeitigen Verhältnisse offenbar ok. Kein Wunder, wenn in einer frauenfeindlichen Gesellschaft der Hälfte der Bevölkerung offenbar jegliches Gefühl für Menschenwürde abtrainiert worden ist, falls es denn je existiert hat.
In Deutschland ist die Prostitution seit 2002 legal. Ausgerechnet Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger FDP trieb das Deregulierungsgesetz zur Prostitution voran. Das Gesetz wurde am 14. Dezember 2001 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU angenommen. Seitdem stieg die Zahl der Prostituierten sprunghaft an. Dass dadurch erwartungsgemäß auch die Preise für diese Dienstleistung sanken, ist eine Folge der Marktlogik, dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Die Frau wird auf den Status einer allzeit käufliche Ware herabgewürdigt. Inzwischen ist Deutschland das "Bordell Europas", ein Paradies für Menschenhändler, Kinderschänder und Zuhälter. Auch bei diesem Thema lohnt ein Blick in die Webforen, um die Rückständigkeit, das Anachronistische der deutschen Männergesellschaft zu erkennen.
"Tatsächlich gibt es für Städte und Bundesländer nicht so viele Möglichkeiten, gegen Prostitution vorzugehen. Die Bundesregierung hat das Prostitutionsgesetz 2001 neu geregelt. Prostituierte sollte ein Beruf wie jeder andere werden, sozialversichert und besteuert. Wer sich mit Leuten unterhält, die sich in der Szene auskennen, egal ob Polizisten oder Zuhälter, bekommt zwölf Jahre später zu hören, dass sich eigentlich nichts zum Besseren geändert hat. Das gutgemeinte Gesetz nutze vielmehr Zuhältern und Menschenhändlern statt den betroffenen Frauen. (...) Keine Krankenversicherung nimmt eine Prostituierte zu bezahlbaren Konditionen. Und weil der Staat Steuern erheben will, aber die Einnahmen kaum nachprüfen kann, verlangen manche Städte etwa pauschal 25 Euro pro Tag von Bordellbetreibern. Die geben die Kosten meistens an die Prostituierten weiter, auch wenn sie nur 100 Euro am Tag verdienen." (SPIEGEL online, "Saarbrücken: Die Prostitution hat unerträgliche Ausmaße angenommen", 25.09.2013)

Täterschutz statt Opferschutz


Wie pervertiert die öffentliche Wahrnehmung von Frauen und Frauenrechten mittlerweile ist, wird kaum irgendwo so deutlich wie in den oftmals unzensierten Kommentaren von zumeist männlichen Usern bei Genderthemen. Deutschland ist nicht zufällig eine Hochburg des Mobbings, ein Entwicklungsland in Sachen Opferschutz.

Weil Natascha Kampbusch die ihr vorgeschriebene Opferrolle verweigerte, erntete sie Hassreaktionen sowohl von Männern und als auch von Frauen. Folgender Post wurde aus dem SPON-Forum gelöscht:
"Das Recht dazu hat sie. Gibt ja genug BILD-leser die das interessiert. Wenn die mediengeile Natascha Kampusch sich aber mit aller Macht derart in die Öffentlichkeit drängt, dann verlange ich auch, dass sie sämtliche Widersprüche und Ungereimtheiten aus dem Weg räumt und endlich reinen Tisch macht! Kein Mensch kauft ihr diese Schwachsinn ab! Einfach mal östereichische Medien durchstöbern, sie werden erstaunt sein was da alles zu Tage tritt. Sie betont ja immer, das Volk hat Recht alle intimen Details ihrer Entführung zu erfahren. Stimmt. Dann lassen Sie uns aber bitte auch in Ruhe mit ihrem Buch, ihren Fernsehauftritten und ihrem unsagbar schlechtem Film!!!! Niemand hat sie gebeten an die Öffentlichkeit zu gehen. BTW: Niemand der Höllenqualen durchlebt wie es angeblich gemacht hat, verhält sich derart in der Öffentlichkeit."
Ähnlich erging es Pola Kinski. Sie wird u.a. als "alte abgehalfterte Mimin" beschimpft, die "mal eben Kasse machen will". Und wie immer wird der Missbrauch relativiert, in Zweifel gezogen, das Opfer abgewertet, der Täter verteidigt, die Schuld beim Opfer gesucht, das altbekannte Spiel. Widerlich.
Jede vierte Frau in Deutschland wird mindestens einmal im Leben Opfer häuslicher Gewalt oder einer Sexualstraftat.

Warum werden Frauenhäuser nicht staatlich, aus Steuermitteln finanziert? 45.000 Frauen und ihre Kinder jährlich suchen dort Zuflucht. "Gewalt gegen Frauen ist die meist verbreitete Form der Menschenrechtsverletzung unserer Zeit. Für viele Frauen und Kinder in der Bundesrepublik gehört sie zu ihrem Alltag, unabhängig von Einkommen, Bildung und Gesellschaftsschicht." (Zitat von der Website der Hamburger FrauenhäuserAllein die Tatsache, dass Frauenhäuser heutzutage überhaupt noch nötig sind, ist ein Armutszeugnis für diese Gesellschaft.

Der Irrsinn, die Verdrehung des Verhältnisses von Täter/Agressor und Opfer – die Frau ist Schuld an ihrer Vergewaltigung, das Mädchen Schuld an ihrem Missbrauch - ist mittlerweile in den USA in der Rechtsprechung angekommen. Eine Zahnarzthelferin wurde gefeuert, weil sie für ihren Arbeitgeber zu attraktiv war. Es wird nicht mehr lange dauern, bis ähnliche Fälle auch hier die Schlagzeilen beherrschen werden. Die nächsten logisch folgerichtigen Schritte wären: Verbot von Abtreibung, Legalisierung von Vergewaltigung, Steinigung bzw. Todesstrafe für "Ehebrecherinnen" oder sonstiges angebliches weibliches Fehlverhalten von Frauen. Wo genau liegt eigentlich noch der Unterschied zwischen unseren angeblich so aufgeklärten westlichen "Werten" und den der islamistischen Fundamentalisten? Das Zahnarzt-Urteil ist eine einzige Bankrotterklärung männlicher usurpierter Vorherrschaft und ein Freibrief für ungehemmte sexistische Willkür. Es herrscht Krieg in den Köpfen, in der Gesellschaft. Der rohe Naturzustand bricht durch. Das durch Disziplin, Anstrengung und Bildung verfeinerte, zivilisierte Ich wird diffamiert, das instinktgesteuerte Tier wird zur neuen gesellschaftlichen Norm erhoben.

Hexenjagd


Die Katholische Kirche, zur Zeit in den Schlagzeilen wegen jahrzehntelangem flächendeckendem Kindsmissbrauch durch ihre Priester und Mitarbeiter, lässt die Maske fallen: Im Erzbistum Köln haben mehrere Kliniken die Behandlung von Vergewaltigungsopfern verweigert.

Tom Schimmeck liefert in seinem medienkritischen Buch "Am Besten nichts Neues" das Beispiel einer medialen Hexenverbrennung mit seiner schonungslosen Analyse der Berichterstattung über den Wahlkampf von Andrea Ypsilanti. Das Beispiel schockiert auch jetzt noch aus der Distanz von Jahren. Wie aus dem Lehrbuch: Das Ausmaß des Hasses und der Verachtung in den Hetzartikeln der männlichen Leitwölfe in den Redaktionsstuben, das sich in Gestalt eines atavistischen Rudelverhaltens Bahn gebrochen hat, lässt direkte Rückschlüsse auf das Ausmaß der männlichen Angst zu.
Der Freitag konstatiert am 06.01.2013 in seinem Beitrag "Der Siegeszug der Paparazzi-Kultur", gemeinsam mit dem Guardian: Frauen sind mittlerweile zu Freiwild geworden, vor allem im Internet, dem idealen Biotop für Cyber-Frauenmobbing.
"Nur warum gibt es einen Markt für solche Bilder, wenn es im Netz doch jede Menge nackter Brüste von Frauen zu sehen gibt, die einer Veröffentlichung zugestimmt haben? Ein Teil der Antwort liegt im Zusammenspiel von Begehren und Erniedrigen. Es gibt offenbar ein Interesse, nicht bloß irgendwelche Brüste zu sehen, sondern schlicht: alle. Weibliche Körper gelten als öffentlicher Besitz, als Freiwild, auf das Anspruch erhoben, das bewundert oder auch verspottet werden kann. (...)  Die Folgen in der Offline-Welt waren gravierend. Eine Frau hatte in Folge des Vorfalls ihren Job verloren, der einer anderen war gefährdet. Eine andere Frau berichtete, sie habe eine eigene Firma gehabt, die in den Ruin getrieben worden sei – obwohl die Nacktfotos, die neben den Informationen zu ihrer Person gezeigt wurden, gar nicht von ihr waren.
Der Tahrir-Platz in Kairo war ein Symbol für Hoffnung auf Frieden, Selbstbestimmung, Demokratie. Jetzt ist er zu einem Symbol geworden für die niedrigste Stufe, auf die Menschen zurückfallen können. Die - gerechtfertigte - moralische Entrüstung des Westens über die gezielten Angriffe und Hetzjagden auf Frauen in Kairo lenkt ab von der Tatsache, dass der Tahrir-Platz auch bei uns, in der "aufgeklärten" Zivilgesellschaft zumindest im virtuellen Raum existiert. Im Netz sind Frauen bzw. ihre Abbilder, ihre Körper, ihre menschliche Würde längst zu Freiwild, zum Abschuss freigegeben worden, über die die Meute ungestraft herfallen kann. Der britische Guardian listete einige dieser bei Facebook üblichen Widerwärtigkeiten beispielhaft auf.

Auch in Deutschland hat eine Frau im Web keine Rechte, muss sich als Freiwild alles gefallen lassen, wie Hochspringerin Ariane Friedrich erfahren musste.
"Die Folge war ein heftiger Sturm der Entrüstung, in dem Hunderte Facebook-Nutzer die Sportlerin beschimpften. "Da war ich sprachlos", sagt Friedrich. "Ich hatte immer wieder Angst in der Zeit. Ich war fertig (…) und war nach zwei Wochen nervlich völlig am Ende." "
Und auch hier offenbaren die männlichen Foren-Kommentare zu diesem Artikel die ganze widerwärtige Bandbreite an dumpfester chauvinistischer Anmaßung, Verleugnung, Relativierung, Rechtfertigung.

Systematische Massenvergewaltigungen in islamischen und anderen unterentwickelten Ländern sind Mittel der Kriegsführung, primitivste männliche Machtdemonstration, Rückfall in atavistische Verhaltensmuster auf der Stufe der PavianeIn Indien wird alle 20 Minuten eine Frau vergewaltigt. Telepolis bringt am 10.09.2013 einen Bericht über die "Globale Pandemie der Vergewaltigung". Hier nur einige wenige Beispiele von User-Kommentaren:
"Feministische Gehirnwäsche" 
"Feministische Scheinstudie" 
"Schon wieder so eine Feministische Scheinstudie, die Frauen als Opfer, Opfer, Opfer der achso pöhsen pöhsen MÄnner darstellen soll. Früher wurden 1/4 der Frauen in Deutschland vergewaltigt, heut sind 1/4 der Männer vergewaltiger. Meine Fresse, plumper geht es kaum die Lügen unters Volk zu bringen." 
"Ist der Herr Rötzer momentan auf dem Feminismus Trip?Von Indien auf die ganze Welt zu schliessen, ist ja schon mal ein Absurdum. Und wie bitteschön definiert man Vergewaltigung??So wie in Schweden? Aber ichweiss schon, bei dem Thema ist denken, Kritik und Fragen stellen verboten - da wird es rot geben."
Es ist de facto ein Genozid, eine Menschenrechtskatastrophe: Wegen selektiver Tötungen fehlen in Indien über 50 Millionen Frauen. China hat dasselbe Problem. Erst tötet man sie epidemisch, dann wacht man auf und merkt, Ups, die wären ja doch noch zu was zu gebrauchen gewesen. Männliche Hybris und Bestialität sind grenzenlos.

Immer häufiger sehen Frauen in dieser für sie pathogenen Kultur als letzten Ausweg nur den Selbstmord. Und je lauter und begründeter ihr Protest, desto bösartiger und hemmungsloser die männliche Gegenreaktion. Es scheint fast so, als ob sich hier etwas gewaltsam Bahn bricht, das durch bürgerliche Moral- und Wertesysteme zuvor gezähmt und umgelenkt, sublimiert worden war. Die Geistes- und Kulturgeschichte wäre demnach nur ein Ausrutscher, eine Episode gewesen, nach deren Ende wir uns nun in freiem Fall befinden, in eine primitive Pavian-Kultur, viel grausamer und niederträchtiger als jede andere uns bekannte tierische soziale Ordnung. Eine andere, psychologische Erklärung wäre, dass sich im Zuge der zunehmenden ökonomisch bedingten narzisstischen Psychopathie die narzisstische Wut der Männer an den Frauen austobt.

Der ohnehin schon latente und institutionalisierte Frauenhass verschärft sich durch die Globalisierung. Abstiegsängste, Konkurrenzdruck; Futterneid, Rivalität – der zunehmend bedrohte männliche Allmachtsanspruch muss kompensiert werden. In dem Maße, in dem Frauen danach streben, aufzusteigen, sich zu bilden, unabhängiger zu werden, lassen Männer aller Schichten ihre Wut und ihren Hass auf Frauen aus. Dies ist ein sich selbst verstärkender, sich selbst aufschaukelnder Prozess, bei dem letztlich alle menschlichen Wesen nur verlieren können.

Terra inkognita


Frauen in Deutschland leiden immer noch unter schlechterer medizinischer Behandlung, zum Teil mit Todesfolge: Jahrzehntelang wurden Herzinfarktsymptome von Medizinern falsch gedeutet. Es gibt einen jahrzehntelangen Rückstand in der medizinischen Forschung, etwa weil Zulassungsstudien von Medikamenten auf der Grundlage vorwiegend männlicher Probanden durchgeführt worden sind, oder in der psychosomatischen Forschung des überaus komplizierten Hormonstoffwechsels etwa im Bezug auf Wechseljahrebeschwerden oder Depression, insbesondere die postpartale, wie ZEIT online berichtet:
"Hinzu kommt, dass die meisten Zulassungsstudien für Antidepressiva an Männern durchgeführt werden – weil Frauen schwanger werden könnten", sagt Krüger. Das sei Testern oft zu riskant. "Deshalb gelten Dosierungsangaben oft nur für Männer. Dadurch ergeben sich bei Frauen häufiger Nebenwirkungen, die gefährlich sein können, etwa Herzrhythmusstörungen und hoher Blutdruck."
Die weibliche Anatomie ist bis heute noch nicht vollständig erforscht. Tatsächlich ist die Frau dasjenige Lebewesen, bei dem die Evolution das einzige menschliche Organ entwickelt hat, das nur und ausschließlich dem Lusterleben dient. Logisch, dass diese Tatsache in der patriarchalen Gesellschaft kategorisch bis heute verleugnet und tot geschwiegen wird. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Daher auch die unisono geäußerte Abwertung des klitoralen Orgasmus als "unreif" innerhalb der männlich geprägten Sexualforschung, ganz einfach deshalb, weil Frau dafür keinen Mann braucht – eine für Männer völlig unerträgliche Vorstellung. Deshalb werden lesbische Frauen von Männern auch so abgrundtief gehasst.

Mit dem Rücken zur Wand


Die Folgen der permanenten kulturellen Frauenabwertung liegen auf der Hand: Es fängt mit der selbsterfüllenden Prophezeiung an, deren psychologisch augenfälligste Beleg der ist, dass Frauen ihre Fähigkeiten notorisch schlechter einschätzen als sie tatsächlich sind, es endet bei Depressionen und Suizid, wie auf SPIEGEL online zu lesen ist:
"Weltweit betrachtet seien Suizide die häufigste Todesursache weiblicher Jugendlicher, schreiben Keith Hawton von der University of Oxford und seine Kollegen."
Die weltweit höchsten Suizidraten bei Frauen gibt es in Indien, Saudi-Arabien, im Iran. Wen wundert das noch? Innerhalb einer Kultur, die einem weiblichen Menschen von der ersten Sekunde des Lebens an von allen Seiten suggeriert, dass ein Frauenleben minderwertiger als ein Stück Vieh ist, dass Frauen Menschen zweiter Klasse sind, kann sich keine stabile weibliche Identität entwickeln. 

Speziell Müttern wird so ziemlich alles an Verantwortung zugeschoben, was nur geht. Sie sollen oder müssen zum Familieneinkommen beitragen, sich um Kindererziehung und Schulerfolg kümmern, möglichst auch noch die Pflege der dementen Angehörigen übernehmen und bei alldem noch permanent jung und attraktiv genug sein für den Partner.
"Mütter sind heute öfter erschöpft und krank, als sie es noch vor zehn Jahren waren. Um mehr als 30 Prozent hat sich die Zahl der Frauen erhöht, die Symptome zeigen, die man heutzutage unter Burn-out oder akuten Belastungsreaktionen verbucht. "Das Rollenbild der Frau hat sich stark verändert, aber die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht", sagt Anne Schilling, die einen Reparaturbetrieb für diese neue Spezies Frau leitet, ihre Firma trägt einen schön altmodischen Namen: Müttergenesungswerk. (...) Der Monitor Familienleben, den das Allensbach Institut zum fünften Mal für das Bundesministerium erstellt hat, zeigt eine große Lücke zwischen gesellschaftlicher Wahrnehmung und Realität. So sind zwar 69 Prozent der Deutschen der Meinung, dass Väter sich mehr als früher an der Kindeserziehung beteiligen - mit dem Zusatz, dass sie das eigentlich auch gut finden. Demgegenüber steht jedoch das Umfrageergebnis bei den Müttern: 70 Prozent antworteten, dass sie die Arbeit zu Hause überwiegend alleine schultern." (Süddeutsche, Mütter im 21. Jahrhundert, "Warum wird mir alles zuviel?", 20.11.2012)
Frauen stehen unter Dauerbeobachtung, externer Dauerbewertung, Dauerkontrolle, stehen unter einem permanenten Rechtfertigungszwang. Mehr noch: Frauen haben die Bevormundung, die Kontrolle über den eigenen Körper, die Frauenverachtung inzwischen offenbar internalisiert: Ich habe abgetrieben, also bin ich böse. So etwa auf dem Lebenshilfe-Portal "Zeit zu leben", wo eine Autorin unter der Überschrift "666 oder das Böse in uns" schreibt:
"Die vielen Gesichter des  Bösen
Das können bei jedem Menschen andere Eigenschaften, Eigenarten oder Verhaltensweisen sein.
(...)
- eine Abtreibung gemacht zu haben"

Politisch-fiskalische Rahmenbedingungen wie das Ehegattensplitting oder Neuregelungen wie das Betreuungsgeld entsprechen einem völlig verkorksten, rückständigen, konservativen Frauenbild, offenkundiges Erbe der Nazidiktatur. Immer noch dominiert das traditionelle Frauenbild mit dem verordneten Ideal des Mutterglücks an Heim und Herd. Immer noch die alte Rollenverteilung, mit der Folge der Doppelbelastung für Berufstätige, immer noch massive Diskriminierungen vor allem im Hinblick auf die Bezahlung in der Arbeitswelt. Besonders auffällig geworden in den letzten Jahren ist die zunehmende, geradezu penetrante und übergriffige Bevormundung von Frauen, die Einmischung in Fragen der pränatalen Diagnostik, der Kinderbetreuung, des Stillens und der Abtreibung, extremer Anpassungsdruck an ein unrealistisches Körper- und Schönheitsideal. Und ja, durch das starre Festhalten an Geschlechterstereotypen werden selbstverständlich auch die Männer in ihrer Autonomie geschädigt. Das eine bedingt zwangsläufig das andere. Mir vertraute ein Soziologe einmal an, dass Männer die Frauen darum beneiden, weil sie sich nicht in demselben Maß dem rigiden, uniformen Business Dresscode unterwerfen müssen. Das klingt plausibel. Aber wer beißt schon die Hand, die ihn füttert?

Der demografische Wandel findet weitgehend auf dem Rücken der Frauen statt: Etwa 1,62 Millionen Pflegebedürftige und damit mehr als zwei Drittel werden derzeit zu Hause versorgt. Dabei wird mehr als eine Million von ihnen ausschließlich von Angehörigen gepflegt. Das sind Zahlen von Ende 2009, aktuellere traut sich das Statistische Bundesamt wohl nicht mehr zu veröffentlichen. Man darf damit rechnen, dass diese Zahlen rasant ansteigen. Und dreimal darf man raten, welchen Geschlechts diese Menschen sind, die sich zu Hause neben ihrer sonstigen Berufs- oder Familienarbeit um ihre pflegebedürftigen (meist ebenfalls weiblichen) Angehörigen kümmern.

Deutsche Väter flüchten vor familiärer Verantwortung, vor Kindern. Die offiziellen Bekundungen zur Bereitschaft, sich stärker in die Familie, in Haushalts- und Erziehungsaufgaben einzubringen, stellen sich in der Praxis meist als Lippenbekenntnisse, Heuchelei heraus:
Frage: Sie sprechen von einem inneren Widerspruch: Wie finden Sie den heraus?Koppetsch: Wir führen Interviews mit den Paaren. Wenn man sie zum Thema Hausarbeit befragt, kann man hören: Bei uns läuft das partnerschaftlich, wir teilen uns die Arbeit auf. Aber wir wollen das genauer wissen und fragen nach: Wer putzt denn bei Ihnen die Fenster? Wer näht die Knöpfe an? Wenn man insistiert, kommen andere Dinge ans Licht. Etwa dass immer dann, wenn der Mann für längere Zeit die Hausarbeit übernimmt, im Erziehungsurlaub beispielsweise, eine Putzfrau engagiert wird, die es nicht gegeben hat, als die Frau für die Hausarbeit zuständig war. Das sind interessante Details, die den inneren Widerspruch deutlich machen.
Allein der Titel dieses ZEIT-Beitrags Darf man Hausfrau sein? spricht Bände. Wer entscheidet das eigentlich? Die Frauen? Ganz sicher nicht. Kinder werden ja erst gar nicht gefragt, die werden ja nur noch als zukünftige Human Ressources wahrgenommen. In einer männerdominierten Gesellschaft sind speziell Mütter die Sündenböcke für alles, was in der Gesamtgesellschaft schief läuft. Die Kommentare bringen es auf den Punkt:

Sexismus


Mittlerweile hat die Frauenverachtung ein Niveau erreicht, das nur noch widerwärtig zu nennen ist. Man nehme nur als Beispiel das RTL-Dschungelcamp, dessen Kommentatoren sich genüsslich an den - im Auge des männlichen Betrachters - körperlichen Makel der teilnehmenden Frauen festbeißen und sich im hemmungslosen Ablästern gegenseitig zu überbieten versuchen. Nur ein vulgäres Beispiel von Dutzenden:
"Und Giftspritze Iris hat das, was getrost als "Oma-Hupen" bezeichnet werden kann. Schwer gezeichnet durch den jahrzehntelangen Kampf gegen die Schwerkraft und riesengroß vom Auslecken der Teig-Töpfe in ihrem Pfannkuchenhaus, hängen sie an Iris herab. Im Endstadium, könnte man sagen. Dafür habe sie "eine sehr schöne Muschi", behauptet sie frech. Weil sie "immer nur Kaiserschnitt" hatte. Schön ist das alles nicht."
Diese unverhohlene Häme ist beileibe nicht nur bei den Protagonisten des Trash-TV allgegenwärtig, sondern, und hier besonders perfide, bei Frauen in leitenden Positionen. Deren äußere Erscheinung – Frisur, Kleidung, Figur - ist in den männlich dominierten Redaktionsrudeln immer ein Thema, ganz gleich, ob Politikerin, Schauspielerin, Kulturschaffende oder Managerin, es spielt in der öffentlichen Debatte eine Rolle, auf die eine oder andere hinterhältige Art, während Männern in denselben Positionen - und es sind so einige ausgesucht hässliche und unappetitliche Exemplare dabei - selbstverständlich von derartiger Erniedrigung weitgehend verschont bleiben. Speziell in den Fällen, wo Männer argumentativ nicht gegen eine Frau ankommen, greifen sie grundsätzlich immer auf der persönlichen Ebene an, indem sie sie auf ihr äußeres Erscheinungsbild reduzieren.

Sexismus und Frauenverachtung pur, sowohl von Seiten des Fotografen Martin Parr als auch des Rezensenten Markus Clauer. Man merkt seinem Text über die "schrecklich schönen Momente des Magnum-Fotografen" den ausgelebten Sadismus, die Schadenfreude an.
Teaser: "Fotos von Frauen, die aussehen wie Grillhähnchen, Urlauber, die sich im künstlichen Paradies erholen. Martin Parr hat den Blick für die schrecklich schönen Momente. (...) 
Fließtext: "Schön ist etwas anderes als der Anblick der schlanken Frau im rosa Bikini auf der drohend roten Liege. Ein Kopftuch hält die fettigen Haare zurück. Das Gesicht ist schon grillhähnchenbraun. Der Rest braucht noch. (...) Und genau diese Mischung findet sich auch auf seinen Bildern. Er geht sehr nah ran dafür. Bis die Poren der Orangenhaut hervortreten und der letzte Rest Lotion in der Halsfalte zu sehen ist."
Selbst nach ihrem Tod bleiben Frauen vor männlicher Hetze nicht verschont, wie Kolumnistin Sybille Berg am Beispiel einer besonders niederträchtigen Attacke auf Susanne Lothar zeigt. Auch posthum gilt also die altbekannte Hackordnung. Männer verspotten Frauen, um sich selber aufzuwerten. Und wie geht das am besten? Indem man auf Merkmale wie die körperliche Ausstattung herumhackt, die sich kein Mensch selber aussuchen kann und die kaum oder nur mit großem Aufwand zu korrigieren ist. Und die meisten Frauen fallen auch noch darauf herein, unterwerfen sich bereitwillig dem Diktat des fremdbestimmten Ideals.

Die Medienwissenschaftlerin und Gamerin Anita Sarkeesian hat bei Kickstarter Spenden gesammelt, um ihr Forschungsprojekt "Tropes vs. Women" zu finanzieren: Die Analyse weiblicher Stereotypen und Sexismus in Online- und Videogames. Die Ergebnisse sind nicht überraschend: Die "Dame in distress" ist ein alter Topos in Mythologie und Kunst ( Beispiel Andromeda). Die Frau in der Opferrolle - klar,  was sonst, es sind ja auch Spiele von Männern für Männer, streng nach der Subjekt-Objekt-Dichotomie. Es muss immer ein Machtgefälle geben. Der Held handelt, das Opfer nicht, es leidet höchstens nur und muss gerettet werden. Als Objekt ist die Frau per se nicht handlungsfähig oder wehrhaft. Die Entmachtung weiblicher Spielfiguren ist die Bedingung für die Machtfülle der Männer.

Die Reaktion der männlichen Gaming-Community erfolgte prompt: Eine überwältigende Welle von Hass. Morddrohungen, virtuelle Vergewaltigungen, Veröffentlichung der privaten Telefonnummer von Sarkeesian, Spam des "Tropes vs. Women"-Youtube Videos mit Suchbegriffen wie "terrorism", extremster kollektiver Rufmord durch Eingabe demütigender und beleidigender Suchbegriffe bei Google, hacking des Wikipedia-Eintrags - die Hasswelle hatte nur ein Ziel: diese Frau zum Schweigen bringen, mit welchen Mitteln auch immer. (siehe zu diesem Thema  The New Statesman, rockpapershotgun.com, Der Standard, videogametourism.at)

Man muss sich das mal klar machen: Diese Männer regen sich allen Ernstes darüber auf, dass eine Frau Geld für ihr Forschungsprojekt via Kickstarter sammelt. Sie werfen ihr vor, ihr Geschlecht dazu missbraucht zu haben, um Unschuldigen Geld aus der Tasche zu ziehen, und dies alles im 21. Jahrhundert, in einer Zeit, in der Frauen Staatsoberhäupter sind, Nobelpreise für ihre Forschungen erhalten, Großkonzerne leiten. In dieser Gegenwart sitzen Männer zu Hause und spielen Games, in denen Frauen – kreischende, dümmliche, schwache, stumme, hilflose, passive, unterwürfige, knapp bekleidete Objekte -  nur und ausschließlich dazu dienen, ihre männlichen Größenwahnfantasien zu befriedigen, während weibliche Gamer unisono auf das übelste sexistischen Angriffen ausgesetzt sind. Die Reaktionen bestätigen sozusagen nachträglich die Studie. Auch hier wieder: Wie groß muss die Angst und die Feigheit von Männern sein, die zu solchen Mitteln greifen. "Arschlochgamer" verkriechen sich in Nischen, beanspruchen aber in typisch männlicher Hybris die Deutungshoheit über die gesamte Spieleindustrie. Die Games reflektieren in diesem Sinne die gesellschaftliche Realität.
"Die "Causa Sarkeesian" war letztes Jahr eine jener Affären, die schmerzhaft eine traurige Tatsache unter Beweis gestellt haben: Sexismus ist nicht nur, wie Sarkeesian zeigen wollte, in den Spielen selbst selbstverständlicher und meist nicht einmal bemerkter, fixer Bestandteil der Gameskultur, sondern auch und besonders in großen Teilen der Spielerschaft mehr als salonfähig - ein Befund, der von den beispiellosen Angriffen, sexistischen Beschimpfungen, Gewaltandrohungen und von sexistischer Hetze gegen Sarkeesian selbst aufs Deprimierendste unter Beweis gestellt wurde. (...) Nicht nur in den Spielen selbst, sondern auch in der dazugehörigen Industrie und in einem selbstbewusst-lauten Anteil der Spielerschaft ist ein problematischer, oft aggressiver Sexismus die Norm, die zudem in einem falschen Verständnis von "Spielkultur" im Reflex verbissen verteidigt wird. (...) Sowohl auf professioneller wie auch auf Spielerseite sind Frauen im Gaming regelmäßig und systematisch Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts ausgesetzt." (VideoGameTourism, Rainer Sigl: "Angriff auf die Jungskultur", 11.03.2013)
Die sogenannte Menschlichkeit hört bei Männern exakt da auf, wo die Selbstbestimmungsrechte der Frauen beginnen. Das ist und bleibt der Prüfstein. Das Internet und speziell die Gaming zone ist ein Reservat für männliche pubertäre Looser. Diese Jungs sind stecken geblieben in dieser Phase des Weiberhasses. Es sind unreife 9jährige Rüpel in Körpern von Erwachsenen.
"Guys, we have a problem. We are letting way too many boys get into adulthood without actually becoming men. We're seeing more and more adult males around who are not men. They're as old as men, but they have the mentality of nine-year-old boys. They're causing a lot of trouble, both in general and for the game industry specifically. We need to deal with this. (...) What might be temporarily tolerable in a boy when he's nine is pretty damned ugly when he's fifteen and it's downright psychopathic when he's twenty. Instead of maturing into a man's role and a man's responsibilities, a lot of boys are stuck at the phase of hating girls and women. The boys continue to treat them like diseased subhumans right through adolescence and into adulthood. (...) If your masculinity depends on some imaginary superiority over women, then you don't actually have any. Manliness comes from within, and not at the expense of others. (...) The juvenile delinquents are just like the Klan in 1993: anonymous in their high-tech bedsheets, and threatening, but in fact, a minority. Let's use our superior numbers and metaphorically moon the boys who can't behave. They're social inadequates, immature losers. Let's tell them so, loud and clear, in front of their friends. (...) Invoking "political correctness" is nothing but code for "I wanna be an asshole and get away with it." I'll give you a politically-incorrect response, if you like: fuck that. It's time to man up. You don't get to be an asshole and get away with it." (Jezebel.com, Ernest W. Adams: "A call to arms for decent men", 05.09.2012)
Obiges Zitat ist ein sehr selten gehörter, durch und durch vernünftiger Appell, eine Mahnrede von einem erwachsenen reifen Mann an seine Geschlechtsgenossen. Er trifft genau den Punkt: Eine scheinbare männliche angeborene Überlegenheit, die vollständig von der imaginierten Unterlegenheit des weiblichen Geschlechts abhängt, ist keine, sondern das Gegenteil. Und mit Männern, die sich wie Neunjährige benehmen, diskutiert man nicht wie mit Erwachsenen, sondern man stellt sie bloß und bestraft sie für ihr unangemessenes Verhalten.

In den bundesrepublikanischen Medien habe ich übrigens keine einzige derart klare Stellungnahme zu diesem Thema gefunden.

Und sollten immer noch bei irgendjemandem Zweifel darüber bestehen, in was für einem durch und durch vergifteten, zutiefst frauenfeindlichen Klima der größere Teil der deutschen Bevölkerung leben muss, der sollte sich die postings auf http://alltagssexismus.de/ durchlesen.

Der extreme Anpassungsdruck an ein unrealistisches – durch Männer vordefiniertes - Körper- und Schönheitsideal, die Zurichtungsindustrie des weiblichen Körpers trägt inzwischen repressive pathologische Züge, wie der ZEIT-Bericht über den allgegenwärtigen Schönheitswahn zeigt:
"Was bedeutet es, wenn Schönheit nicht mehr als Geschenk gilt, sondern als Verdienst – durch Fleiß und Disziplin erarbeitet? Und wenn selbst die amtlich Attraktivste in der Schönheit ihres Körpers keinen schicksalhaften Zufall mehr erkennen kann?"
Gegenfrage: Was bedeutet es, wenn Gesundheit, wenn Intelligenz, wenn die Geburt in eine reiche Familie, die Erbanwartschaft nicht mehr als Geschenk gilt, sondern als persönlicher Verdienst, als selbst erworbene Eigenleistung, als Vorrecht des Stärkeren? Willkommen in der neoliberalen Ideologie. Im oben genannten Artikel lesen wir außerdem folgendes:
"Für eine Umfrage der Frauenzeitschrift Petra  wurden im vergangenen Jahr 1000 Frauen gefragt, ob sie zehn Punkte ihres Intelligenzquotienten opfern würden, wenn sie dafür einen Schönheitsmakel ausgleichen könnten. Fast drei Viertel der Frauen antworteten mit Ja."
Demnach hat das deutsche Patriarchat sein Ziel erreicht: Die Ausschaltung lästiger Konkurrenz an den Fleischtöpfen, die Heranzüchtung devoter Niedriglohn-Arbeitssklaven und medizinisch optimierter Zuchtstuten. Herzlichen Glückwunsch. Deutsche Frauen, Mütter, Töchter, haben kapituliert.

Seelische und körperliche Gewalt


Testosteron gilt als "Gewalt"-Hormon. Anders ist kaum erklärbar, warum über die Jahrhunderte hinweg in den Gefängnissen und Strafanstalten fast ausschließlich Männer sitzen. Oder sind daran wieder die Mütter schuld? Es kommt vor, dass Mütter auch Töchter haben. Töten als Lustgewinn, Jagd auf Tiere als Ersatzhandlung: Eine aufsehenerregende Veröffentlichung von Verhörprotokollen von deutschen Kriegsgefangenen zeigt einen Typus des Durchschnittssoldaten, der weitgehend unbeeindruckt von der Nazi-Ideologie seinem Blut- und Machtrausch ausagiert. Auf diesen Artikel gab es ganze 10 Kommentare, ausschließlich von Männern, davon fast alle relativierend, Tenor: Alles ganz normal, Kriegsverbrechen gab's beim Feind auch, wozu die Aufregung, so ist das nun mal im Krieg. Abwehr und Verdrängung wie aus dem Lehrbuch.

Die grausamsten Arten, in der Unterhaltungsindustrie, zur Hauptsendezeit zu Tode zu kommen, sind für Frauen reserviert. Als Opfer geboren, als Opfer darf man sie dann auch anzünden und verbrennen.

Die Reflexionen eines männlichen forensischen Psychiaters über die Frage, was Menschen zu Mördern macht, tragen den Titel: Töten ist menschlich. Eine offensichtlichere apologetische Abwehr der Tatsache, dass über die Jahrhunderte hinweg die weit überwiegenden Zahl von Gewaltverbrechen durch Männer begangen wird, lässt sich kaum denken. Und ganz nebenbei finden wir in dem oben genannten Artikel wieder die reflexhafte Herabsetzung einer großen, einflussreichen weiblichen Denkerin:
"Von der Essayistin Hannah Arendt und dem Soziologen Harald Welzer ist beschrieben worden, dass jene Menschen, die im vergangenen Jahrhundert Tausende anderer Menschen mit eigener Hand umgebracht haben, nicht geisteskrank waren, nicht hirngeschädigt, sie waren nicht einmal alle Rassisten."
Dazu der treffende Forums-Kommentar:
"Aber in einem Artikel, in dem sämtliche zitierte männliche Soziologen korrekt als solche bezeichnet werden, Hannah Arendt, deren Bedeutung die Bedeutung aller anderen genannten übersteigt, aber als "Essayistin" zu bezeichnen, ist verniedlichend und abwertend. Auch wenn im klugscheißerisch-kleinkleinem Wortsinn "Essayistin" die korrekte Bezeichnung für jemanden ist, der Essays schreibt."
Das Ausmaß der Anfeindungen, denen Arendt ausgesetzt war, sind nicht zuletzt eben auch der Tatsache geschuldet, dass sie es im Nachkriegsdeutschland als Frau überhaupt wagte, derart kompromisslose Thesen mutig öffentlich zu vertreten.
"Nach Veröffentlichung ihres Eichmann-Textes wird die bis dahin geachtete Hannah Arendt von fast allen verstoßen. Selbst Freunde und Weggefährten aus Jugendjahren wenden sich von ihr ab. Aber wie hoch der Preis auch sein mag: Sie bleibt bei ihrer Wahrheit. Und sie erfährt nun am eigenen Leibe den Effekt dieses opportunistischen, kollektiven „Wir“, das sie apropos Nazi-Deutschland analysiert hatte: Wie sich einer nach dem anderen der Mehrheitsmeinung anschließt. Hannah Arendt wird zum Opfer einer eigentlich kaum zu überlebenden Menschenjagd. Doch sie bleibt sich treu."
Es vergeht kaum eine Woche, in der in den Medien nicht wieder von irgendeinem Mann zu lesen und zu hören ist, der seine Ehe- oder Ex-Partnerin, und meist noch seine Kinder ermordet und mit sich in den Tod reißt. Dies geschieht in den wenigsten Fällen im Affekt, wie eine Psychologin und Gutachterin für Strafprozesse feststellt:
"Er – meistens ist es ein Er – tötet Angehörige – meistens sind es Angehörige –, bevor er sich selbst tötet. Aber das geschieht niemals spontan, im Affekt, sondern ist immer von langer Hand geplant. (...) Gaby Dubbert nennt ihre Studien »psychologische Autopsien«, die nachträglich zu entschlüsseln suchen, wie es zur Tat gekommen ist. Und es ist nicht schön, was man mithilfe der Autopsien sieht – als träte man in das Innere der verpassten Gelegenheiten. Wie bei jenem Mann, sehr erfolgreich, sehr reich, den die Überzeugung, dass seine deutlich jüngere Frau nichts als ein Unglück sei für ihn und die beiden Kinder, zu immer härteren Schlägen gegen sie verleitet. Sie wehrt sich vor Gericht, er erhält Annäherungsverbot, es vergehen Monate, dann erschießt er sie vor den Augen eines Kindes. Anschließend zwingt er das Kind nachzusprechen, dass diese Tat notwendig sei, bevor er sich selbst erschießt."
In ihrem Buch "Die Masken der Niedertracht" beschreibt die Psychoanalytikerin Marie-France Hirigoyen die seelische Grausamkeit von perversen narzisstischen Paranoikern. Die Fallbeispiele sind ausschließlich männlich.

Endzeit


Das männliche Reptilienhirn nimmt in einer historischen Phase der knapper werdenden Ressourcen Frauen als Bedrohung des eigenen fragilen Egos, als Einbruch in sein Revier wahr. Die Globalisierung hat Männer wieder zurück in primitivste atavistische Verhaltensmuster katapultiert. Sie merken, dass sie mit den Frauen nicht mithalten können, sie spüren, dass sie die globalen Probleme nicht allein bewältigen können und flippen aus. Ein Blick in die täglichen Horrornachrichten genügt: Der globale männliche Frauenhass kennt keine Grenzen. Frauenbeschneidung, Hexenverbrennung, Massenabtreibung weiblicher Föten, Mädchenmorde nach der Geburt, Vergewaltigung, Zwangsehe, "Ehrenmord", Steinigung, Witwenverbrennung, Säureattacken, Prostitution, Kinderpornographie.
"Sexuelle und andere körperliche Gewalt gegen Frauen ist der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge viel häufiger als bislang vermutet: Weltweit leiden etwa 35 Prozent aller Frauen – mehr als jede Dritte – unter Prügel, Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder anderen Taten, wie aus einer ersten systematischen Datenerhebung hervorgeht. (...) Als erschreckend bezeichnen die Wissenschaftler das Ausmaß der dokumentierten Brutalität: Die körperliche Gewaltanwendung reicht dabei von
  • Ohrfeigen und das Werfen von Gegenständen und massiven Faustschlägen 
  • Fußtritten, Würgen und Verbrennungen
  • Bedrohung mit vorgehaltenen Schusswaffen
Die Datensammlung verdeutlicht, dass Gewalt gegen Frauen in allen Ländern, Kulturen und Gesellschaftsschichten vorkommt." (ZEIT online, WHO-Studie, "Jede dritte Frau leidet unter körperlicher Gewalt", 20.06.2013)
Die relativierenden und abwehrenden, teils sogar affirmativen Kommentare zu diesem Bericht sind entlarvend. Getroffene Hunde. Männer bevorzugen häusliche Gewalt ganz einfach deshalb, weil sie in diesem Bereich keiner direkten gesellschaftlichen oder staatlichen Kontrolle unterliegen. Es bleibt ja alles schön in der Familie. Und weil die körperliche Überlegenheit die einzige ihnen verbleibende Möglichkeit ist, mittels derer sie Macht über Schwächere, Frauen, Kinder, Tiere demonstrieren können. Sie wissen genau, dass ihre Gewaltanwendung feige und inakzeptabel ist.
  
Nicht nur an diesem Beispiel zeigt sich der Zusammenbruch aller noch vorhandenen Reste von zivilisiertem Verhalten. Bestialisch, monströs. Tierhaft ist viel zu beschönigend. Kein Tier würde so etwas tun. Der ZEIT-Artikel "Der Frauenmord" vom 13. Januar 2013 bringt es auf den Punkt.
"All diese Taten haben einen gemeinsamen Nenner: den Hass auf Frauen und die Dämonisierung ihrer Weiblichkeit. Oft ist es die Macht der Gläubigen, die das Leben der Frauen verschlimmert, häufig sind es Traditionen, die von Veränderungen abhalten. Immer aber sind es die herrschenden Verhältnisse, die zu ändern niemand bereit ist, der sich darin gut eingerichtet hat. Dazu gehört auch die Nervosität jener, die jedes Zugeständnis an Frauen, jedes Nach-oben-Kommen als Bedrohung der Männer sehen."
Frauen können aufgrund ihrer eigenen Sozialisation als Teil des Systems in der heutigen fatalen Schieflage nicht mehr als Korrektiv dienen. Im Gegenteil. Sie zerbrechen weltweit am Anpassungsdruck. Sie kämpfen inzwischen nicht mehr nur gegen männliche Vorherrschaft, sondern gegen ihresgleichen. Abgesehen davon würden sie sich wieder, wie in den vergangenen Jahrtausenden, zu einer Krücke des männlichen Selbstbildes instrumentalisieren lassen. Die Identifikation mit dem Aggressor bringt Frauen dazu, bei ihren saufenden und prügelnden Männern zu bleiben, lässt Frauen bei minus 20 Grad im Minirock herumlaufen und sich eine Blasenentzündung holen, lässt Frauen bei der Geburt eines Mädchens auch heute noch gepeinigt klagen: "nur ein Mädchen".

Wieder einmal ist es Sybille Berg, die es wagt, die bittere Wahrheit auszusprechen:
"Ich habe keine Ahnung, welche von der Macht ausgeschlossenen Gruppen es noch gibt - außer Frauen, Transgender, Homosexuelle und Behinderte -, die es besser machen könnten, als die bisher fast ausschließlich alleinbestimmenden Männer. Aber man sollte es versuchen. Und sei es nur, damit wir uns alle stolz die Hände geben können, wenn der Planet langsam im Wasser versinkt."
Seit Beginn der Zivilisation haben die Männer die Macht gehabt, in allen Bereichen. Religion, Kunst, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft. Wir alle sehen und erleiden das Ergebnis. Täglich. Es reicht. Dem Planten läuft die Zeit davon. Die Männer ahnen oder spüren das – oder sollten es zumindest. Umso stärker klammern sie sich an das, was sie haben, ihr rückständiges Rollenmodell, das ihnen vom ersten Tag ihres Lebens an selber aufgezwungen wird. Das konforme, von der patriarchalen Gesellschaft nicht nur gebilligte, sondern ausdrücklich belohnte Verhaltensmuster – angreifen, erobern, vernichten - ist die systematische Ausgrenzung und Abwertung anderer, um sich selber damit aufzuwerten. Ein "richtiger" Mann zu sein bedeutet heute: Eine leere Hülle, dessen abgetötete Persönlichkeitsanteile sich nur noch durch Wut und Hass auf das Andere, Fremde äußern können, gefühllose Robotermenschen mit brüchigem Selbstwertgefühl und schablonenhaftem Denken in Hierarchien, in Machtkategorien von Herrschern und Beherrschten, vollkommen blind für die Tatsache, dass Männer genau dadurch selber in einer Abhängigkeit vom Geschlechterstereotyp verharren.

Wohin wollen Männer eigentlich fliehen? Es gibt nur diese eine Erde, die sie sich auch noch mit den verachtenswerten Frauen teilen müssen. Wen angreifen? Im Bewusstsein der Tatsache, dass die vorhandenen Atom- und Biowaffenarsenale ausreichen, um alles Leben, auch ihr eigenes, auszulöschen. Alles, was Männern noch zu tun bleibt, ist immer höhere Wolkenkratzer zu bauen - wer hat den Längsten -, und in ihrer maßlosen Wut blind um sich zu schlagen, ihren Hass auf dem Rücken ihrer eigenen Kinder und Ehefrauen auszutoben, Amok zu laufen oder Kriege anzuzetteln.

Wenn man dem Psychoanalytiker Arno Gruen ("Der Verrat am Selbst. Die Angst vor Autonomie bei Mann und Frau") folgen will, ist die männliche Frauenverachtung nur Ausdruck der tiefsitzenden Selbstverachtung dafür, dass der Mann auf die Bewunderung durch die verachtenswerte Frau mit ihren verachtenswerten "weiblichen Schwächen" verzweifelt angewiesen ist, auf die Bewunderung ausgerechnet des Verachtenswerten also, und Ausdruck der Scham darüber, diesem Bedürfnis ständig nachgeben zu müssen und damit seine eigene Schwäche offen zu legen. Die Angst vor der Schwäche, vor dem Schmerz, letztendlich vor allem, was das Leben lebendig und echt macht, ist somit selber Ausdruck einer substantiellen, permanent verleugneten männlichen Schwäche.
"Wenn Männlichkeit zarte Gefühle verbietet, muss man die eigene Sehnsucht danach von sich abweisen. Indem sie auf einen anderen Menschen projiziert wird, kann man sie nun verneinen und auch im anderen bekämpfen.So entscheidet jene Metaphysik unser Leben, unsere Beziehungen, unsere Gewalttätigkeit und am Ende unseren sich daraus ableitenden Drang zur Selbst-Zerstörung. Dieser muss sich entwickeln, denn das oft unbewusste Gefühl der Ohnmacht, das aus den Verzerrungen echter menschlicher Möglichkeiten in uns entsteht, erzeugt Wut. Wut, von deren Ursprung wir nichts wissen, kehrt sich unweigerlich gegen uns selbst oder den anderen – als Spiegelbild unseres Selbst. Leider werden diejenigen zu unseren Führern, die die Idealvorstellungen, die wir uns von Männlichkeit machen, am besten verkörpern. Viele Frauen unterliegen ebenfalls dieser Faszination und zwingen dadurch ihre männlichen Partner, an jeden "Idealen" festzuhalten. Beide fürchten das Innere und strafen diejenigen mit Verachtung, die nach der Wahrheit suchen. Ein unter Umständen tödliches Verhängnis: Der Männlichkeitswahn – oft unterstützt von Frauen – produziert Kriege und erbarmungslosen Konkurrenzkampf, wobei der Herzinfarkt nur eine Form der Selbstvernichtung ist. Männer sind in einem Dilemma. Sie fürchten die Frau, die ihnen doch so wichtig für ihre eigene Selbstbestätigung ist. Wir bedürfen der Illusion, eine Frau zu besitzen, um unsere Einmaligkeit zu beweisen, um unsere Überlegenheit anderen Männern gegenüber zu bestätigen. Und doch geben wir Frauen insgeheim der Verachtung preis, um zu verbergen, wie wir ihren Wert missbrauchen und um untereinander zu triumphieren. Diese Verachtung wird oft zum Zement der Beziehung zwischen Männern. Gemeinsam halten wir die Frau für unterlegen. Und doch wollen wir unter allen Umständen von ihr akzeptiert werden – und das als völlig fehlerlose Helden." (Arno Gruen, Der Verrat am Selbst. Die Angst vor Autonomie bei Mann und Frau, S. 83/84)
Daher die Sucht nach Sex, dieser letzten verbliebenen Möglichkeit, sich selber zu fühlen, für diese lächerlich kurze Zeitspanne von 2 bis 5 Sekunden (hier lügen übrigens Männer immer gern, dass sich die Balken biegen: In einem Internetforum faselte ein anonymer User von 5-6 Minuten). Frauen kommen im Normalfall auf die doppelt so lange Zeitspanne und mit der Fähigkeit zu multiplen Orgasmen, was natürlich kein Wunder ist dank ihrer opulenten Ausstattung der Klitoris mit Nervenzellen: laut Wikipedia mehr als 8000, weit mehr als jeder andere Teil des menschlichen Körpers - des menschlichen, wohlgemerkt, nicht des männlichen, der in dieser Hinsicht schlicht nicht mithalten kann.

Das sind Fakten, meine Herren, und keine feministischen Wunschträume. Ihr liebt doch Fakten über alles, oder? Ihr habt doch das gottgegebene Patent auf Zahlen, auf die unbestechliche, über alle instinkt- , zyklus- und hormongesteuerte Gefühlsduselei erhabene Ratio. Wobei dieses aufgeblasene, sterile Selbstbild nebenbei völlig im Widerspruch steht zu der immer wieder von der männlichen Hälfte der Bevölkerung vorgebrachten Schutzbehauptung, dass Männer im Durchschnitt alle 20 Minuten an Sex denken müssen und Frau deshalb dieses naturgegebene Bedürfnis und damit letztendlich auch die Promiskuität doch gefälligst zu respektieren habe, denn, meine Güte, er kann ja nun mal nicht anders. Der Trieb, Sie wissen schon. Wer bitte schön ist hier eigentlich das hormongesteuerte Geschlecht?

Wer es darauf anlegt, Frauen mit Hilfe von "knallharten" Fakten ausschließlich auf biologische, "naturgegebene" Funktionen zu reduzieren, muss damit rechnen, dass der Spieß genauso gut umgedreht werden kann.

Was mich betrifft: Ich bin diese sinnlosen Machtkämpfe leid, ich habe es satt bis obenhin, diese infantile Erbsenzählerei bei den Geschlechterunterschieden, der Zahl der Gehirnneuronen, Gewicht und Größe des Gehirns, IQ-Tests, Forschungen in den weltbewegenden Disziplinen Einparken und Stadtpläne lesen, Vergleich von Schulnoten, von Unfall-, Kriminalitäts- , und Insolvenzstatistiken: Wohin soll das führen, außer dass die Geschlechter sich weiter voneinander abgrenzen.

All dies ist nichts anderes als Schärfen von Munition. Feuern, was das Magazin hergibt, sobald sich eine neue Schwachstelle zeigt. Es geht wieder nur um Abgrenzung und Abwertung. Forschung dient dem Erkenntnisgewinn? Die Vorstellung ist mittlerweile lachhaft. Jeder Lebensbereich ist heute von Profitinteressen der Lobbys und Konzerne durchseucht, warum soll das ausgerechnet bei der Forschung anders sein. Die zweckfreie, der Idee der Wahrheit verpflichtete Wissenschaft ist seit Jahrzehnten tot. Die Geschlechterunterschiede möglicherweise auszugleichen, indem sie als gegenseitige Ergänzung, als Korrektiv verstanden werden, die blinden Flecken, die Defizite zu heilen, die Idee, dass Kooperation, wahrer Respekt, den anderen das sein zu lassen, was er oder sie ist, dass diese Utopie möglich ist, dass sie angesichts der Tatsache, dass die menschliche Spezies jetzt langsam dem Ende entgegentorkelt, sogar die einzig uns noch verbliebene Handlungsoption ist - diese Vorstellung ist heutzutage offenbar für die meisten Menschen völlig abwegig.

Ich spiele nicht mehr mit. Reine Energie und Zeitverschwendung. Die Karten sind in diesem Spiel von Beginn an gezinkt. Der Zug ist abgefahren. Daher können wir uns entspannt zurücklehnen und dem Unheil seinen Lauf lassen. Denn zumindest auf die Natur und ihre Gesetze ist noch Verlass. Es wäre schlimm, wenn nicht.

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