"In Deutschland gilt derjenige als viel gefährlicher, der auf den Schmutz hinweist, als der, der ihn gemacht hat."
Carl von Ossietsky, 1889 – 1938, Journalist und
Schriftsteller
Welle. Aquarell |
Rückblende in die Mitte der Achtziger Jahre: Es ist morgendlicher Berufsverkehr in Hamburg, der U-Bahnsteig ist voll mit Pendlern, ich stehe ganz vorn an der Bahnsteigkante, um Zeit zu sparen und einen Sitzplatz abzubekommen. Die U-Bahn
fährt ein. Noch ehe sie vollständig zum Halten kommt, werden Türen von innen aufgerissen, und
während die einen aussteigen, will ich einsteigen und Platz machen für die, die
hinter mir warten. Vielleicht war ich noch nicht ganz wach, vielleicht
unachtsam, jedenfalls verfängt sich einer von meinen gestiefelten Füßen irgendwie in dem schmalen Spalt zwischen Bahnsteigkante und Türschwelle der U-Bahn, so dass ich, noch bevor die Bahn endgültig zum Stillstand kommt, mit dem einen Fuß festhänge. Sofort und ohne dass ich
meinerseits um Hilfe bitte, greifen von beiden Seiten die Arme anderer Fahrgäste unter meine Arme und heben mich wortlos, ohne Umschweife hoch, so
dass sich der festgeklemmte Stiefel löst, und dann sanft über die Schwelle des U-Bahneinstiegs.
So etwas wird einem heute nicht mehr passieren können. Stattdessen muss man damit rechnen, von wildfremden Leuten auf das Bahngleis gestoßen
zu werden, weil wieder irgendjemand seinen Frust abreagieren muss.
Die Deutschen erleben seit über Jahren, mindestens seit Ende der Siebziger, offiziell eingeläutet durch und mit dem Segen von Kohl's "geistig-moralischer Wende", einen massiven reaktionären Rollback. Eine echte Zeitenwende. Die Bundesrepublik vor dieser Wende und die danach haben in sozialpsychologischer Hinsicht kaum noch etwas gemeinsam. Es ist eine andere Kultur, es herrscht ein anderer, mehr noch, ein weitgehend konträrer Wertekanon.
Weil sich das Elend inzwischen nicht mehr unter den Teppich kehren lässt, weil jetzt selbst in den Scheinidyllen ländlicher Regionen, wo der soziale Kitt noch länger hält als anderswo, Menschen die Mülltonnen durchsuchen und Kinder auf offener Straße betteln, jetzt erst entdecken manche der Arrivierten, die Medienmacher und Entscheidungsträger ihr soziales Gewissen wieder und spielen die Betroffenheitsplatte, indem sie von Verhältnissen berichten, die ich und mein eigenes soziales Milieu bereits vor Jahrzehnten bewusst am eigenen Leib erlebt oder über die wir Betroffenen immer schon unartikuliert Bescheid wussten.
Derweil üben sich die Kommentatoren in den Medien in verzweifelter Kaffeesatzleserei: Was will die Kanzlerin? Was hat sie vor? Was plant Schäuble? Wer sagte was wann zu wem und warum. Zeugnis der Kapitulation. Die offenkundige Hilflosigkeit, wenn Kommentatoren und Netzforisten nicht sofort und auf Anhieb eine Position einordnen können, der Schrei nach Eindeutigkeit, das Stochern und Suchen nach Beweisen für die Zugehörigkeit zu einer linken oder rechten oder liberalen oder was weiß ich für eine Schublade. Wobei die Schubladen selber noch nicht einmal annähernd definiert sind. Diese Sehnsucht nach sofortigem Abkanzeln und Aburteilen. Diese servile Anbiederung, besonders in den Kommentaren zu Sarrazin und Guttemberg: "Ich habe dich verstanden, wir sind auf Augenhöhe". Diese infantile Stilisierung zu Heilsbringern.
"Sie packen es einfach
nicht". Das ist ein Satz, den ich bereits vor über 15 Jahren in einer NDR-Talkshow von einem geladenen Gast gehört hatte (ich glaube, es war ein Schauspieler). Er war auf die damalige Regierung gemünzt. Ich hielt den Satz für ziemlich gewagt, für reine Polemik. Jetzt merke ich, wie hellsichtig dieser Befund gewesen ist. Und dieser Befund wäre wirklich fatal. Denn gegen Dummheit ist kein Kraut
gewachsen, wie ein schönes Sprichwort sagt. Hier, in diesem Biotop der Ignoranz, kann die Kritische Masse
ihre ganze Unwucht entfalten.
Die Verrohung und Gewalt wird weiter zunehmen, Gewalt gegen Schwächere: Frauen, Kinder, Tiere; gegen Minderheiten: Migranten, Homosexuelle, Moslems, Juden. Überhaupt ist ja der Trend zum Import polnischer, russischer oder philippinischer Gattinnen oder auch der Zwang, sich unbedingt ein Haustier anzuschaffen, vor allem in der Stadt, wo Tiere eigentlich kaum einen Nutzwert haben, vorzugsweise Hunde, weil die so schön servil sind, abhängige Wesen, an denen man so komfortabel seinen Frust abarbeiten kann, ein Symptom für die aufgestaute Wut, die sich ein Ventil sucht. Auch manche sozialpolitische Drohung und ihr beifälliges Echo in den Medien entbehren nicht eines gewissen sadistischen Auslebens von Wut und Hass. Quälen und Schikanieren, ohne dafür in irgendeiner Weise belangt werden zu können, das macht Spaß, erfüllt die narzisstisch Gestörten mit tiefster Genugtuung. Macht sie fertig! Macht sie klein! Damit ich selber groß sein kann. Man möchte lieber nicht wissen, wie viele von denen, die im Moment über die Banker mit aller gebotenen moralischen Entrüstung schimpfen, sich insgeheim wünschen, einmal selber an der Stelle derer zu sein, die mit ihren Geschäften Volkswirtschaften in den Ruin treiben, die Gott spielen, die sich am unverschuldeten Elend der Menschen ergötzen und aufgeilen, um so endlich Rache nehmen zu können für die Demütigung durch das System.
In Online-Threads wie diesem tobt sich der autoritäre Charakter aus. In den von Schreibfehlern wimmelnden Kommentaren wütet Abstiegsangst in der Maske des Fremdenhasses. Es ist der Hass der Deprivierten gegen die, von denen er selber nicht mehr weit entfernt ist. Wie viele von den Foristen sind selber arbeitslos (man beachte die Uhrzeiten der Posts) und Alkoholiker? Im Schutz der Anonymität ertönt der Ruf nach Streichung der Stütze, nach Zwangsarbeit.
Hysterie bricht aus angesichts der Verzögerung bei der ESM-Ratifizierung. Wenn die Geldpartei FDP aufschreit, kann man erahnen, was für das Großkapital auf dem Spiel steht. Es werden Drohszenarien an die Wand gemalt. Es wird dem Gericht der warnende Zeigefinger gezeigt: Du, wenn du nicht genau das machst, was ich will, passiert was ganz schlimmes! Es wird den Bundesverfassungsrichtern Inkompetenz und Ignoranz unterstellt. Wo doch alle wissen müssen: Diese Situation ist historisch einmalig. Hier gibt es keine Patentrezepte. Hier haben Menschen offenbar eine Scheißangst, dass ihnen die Felle wegschwimmen. Die haben sich überhaupt nicht mehr im Griff. Angst ist die Matrix des Fühlens und Denkens in den Köpfen des 21. Jahrhunderts, nackte oder eingebildete Existenz- und Zukunftsangst. Das Reptilienhirn hat die Herrschaft über den Neokortex übernommen. Milliarden Menschen wimmeln jetzt starr vor Angst auf diesem Planeten herum, der ächzt und stöhnt angesichts der aufsteigenden Panik.
Rollback
Die Deutschen erleben seit über Jahren, mindestens seit Ende der Siebziger, offiziell eingeläutet durch und mit dem Segen von Kohl's "geistig-moralischer Wende", einen massiven reaktionären Rollback. Eine echte Zeitenwende. Die Bundesrepublik vor dieser Wende und die danach haben in sozialpsychologischer Hinsicht kaum noch etwas gemeinsam. Es ist eine andere Kultur, es herrscht ein anderer, mehr noch, ein weitgehend konträrer Wertekanon.
Was hier statt gefunden hat, ist mehr als nur eine Entwertung bürgerlicher Tugenden und Werte, sondern das Verkehren in ihr genaues Gegenteil, eine 180-Grad-Wende. Gefeiert und bewundert werden Rücksichtslosigkeit, Prahlerei, Egoismus, Härte und Grausamkeit, Tücke und Durchtriebenheit, das ganze flankiert von dumpfbackigem Konformismus und Mitläufertum (im offenen Widerspruch zur allseits propagierten, angeblichen Grenzenlosigkeit von Chancen und Möglichkeiten, von Selbstverwirklichung und Individualität).
Die heutige Kultur ist eine Kapitulation vor der heranrückenden Masse der narzisstisch Gestörten,
der vater- oder mutterlosen Scheidungs-, Heim- und Einzelkinder, der
überbehüteten, verwöhnten reichen und der geprügelten und vernachlässigten armen Kinder,
der Kinder der von Abstiegsangst gequälten, von der Leistungsdoktrin getriebenen Mittelschicht, die ihre Kinder als Ressource, als Investition taxiert - allesamt
aufgewachsen ohne bedingungslose Liebe, ohne emotionale Wärme.
Das Märchen vom Aufstieg in der BRD ist spätestens seit der Wende vorbei. Was durch die neoliberale Agenda der Herren Lambsdorff-Tietmeyer in 1982 aus ideologischen Gründen vorbereitet wurde, hat die Schröder-Fischer-Agenda 2010 vollendet. Die direkten Folgen werden regelmäßig vom Deutschen Institut der Wirtschaft dokumentiert. Der Focus schreibt dazu:
Das Märchen vom Aufstieg in der BRD ist spätestens seit der Wende vorbei. Was durch die neoliberale Agenda der Herren Lambsdorff-Tietmeyer in 1982 aus ideologischen Gründen vorbereitet wurde, hat die Schröder-Fischer-Agenda 2010 vollendet. Die direkten Folgen werden regelmäßig vom Deutschen Institut der Wirtschaft dokumentiert. Der Focus schreibt dazu:
"Nach einer wissenschaftlichen Studie des DIW in Berlin hat der Bevölkerungsteil mit mittleren Einkommen - gemessen am erzielten Markteinkommen - zwischen 1991 und 2006 von 44% Prozent auf 26,9% Prozent abgenommen, ja selbst nach Berücksichtigung der öffentlichen Umverteilung ist der Anteil - gemessen am Nettoeinkommen - von 62,6% Prozent auf 53,9% Prozent gesunken. Gleichzeitig hat sich der Anteil der Einkommens-Unterschicht, darunter auch die Einkommens-Armen, kräftig erhöht."
In den deutschen Medien entsteht manchmal der Eindruck, dass die Schrumpfung der Mittelschicht mit der Finanzkrise zu tun hat. So plötzlich ist die Entwicklung nun doch nicht.. Der Prozess läuft seit mehreren Jahren. Laut einer DIW-Studie von 2008 ist die Mittelschicht seit 2000 bis 2006 von 62% der Bevölkerung auf 54% geschrumpft. "Entsprechend gestiegen ist der Bevölkerungsanteil an den Rändern der Einkommensverteilung, wobei in der Mittelschicht die Abwärtsmobilität stärker ausgeprägt war als der Aufstieg in höhere Einkommensklassen." Als Erklärung für den Abstieg nennt das DIW - wen wundert's - die zunehmend unsicheren und niedrig entlohnten Beschäftigungsverhältnisse sowie die Folgen der Agenda 2010 unter Rot-Grün." Diese Studie wurde auch recht breit in der Presse publiziert. Das DIW ist schon dabei, zusätzliche Begründungen für die Verarmung und Ausdünnung der Mittelschicht zu basteln, die geeignet wind, die Politik wieder aus der Schusslinie zu nehmen. Nämlich die Zunahme der Single-Haushalte. Ja, doppelte Haushaltsführung kostet eben mehr! Daran sind die Leute doch selber schuld, wenn sie weniger in den Taschen haben. Auch die steigende Anzahl von Alleinerziehenden wird als Ursache genannt. Merkwürdig nur, dass diese Entwicklung nicht für alle Single-Haushalte in den OECD-Staaten gilt.
Weil sich das Elend inzwischen nicht mehr unter den Teppich kehren lässt, weil jetzt selbst in den Scheinidyllen ländlicher Regionen, wo der soziale Kitt noch länger hält als anderswo, Menschen die Mülltonnen durchsuchen und Kinder auf offener Straße betteln, jetzt erst entdecken manche der Arrivierten, die Medienmacher und Entscheidungsträger ihr soziales Gewissen wieder und spielen die Betroffenheitsplatte, indem sie von Verhältnissen berichten, die ich und mein eigenes soziales Milieu bereits vor Jahrzehnten bewusst am eigenen Leib erlebt oder über die wir Betroffenen immer schon unartikuliert Bescheid wussten.
Unter dieser Last, die seit Jahrzehnten auf die Normalbürger drückt, unter dem Rad dieser von den "Eliten" aus purem Eigennutz installierten und genährten strukturellen Gewalt - Abwärtsspirale, Unsicherheit und Perspektivlosigkeit, Abstiegsangst, Ausbeutung, Konkurrenzkampf, soziale Auslese - bricht Deutschland nun kollektiv psychisch und physisch zusammen. Und zwar insbesondere die Mittelschicht, der schon rein monetär die meisten Lasten zu schultern hat. Die Oberschicht lebt seit Jahrzehnten gar nicht mehr in diesem Land, auch wenn die Leute hier noch aus steuerlichen Gründen (Steuerparadies Deutschland) gemeldet sind. Sie delektiert sich nur noch an dem von ihr geschaffenen Elend, in dem Bewusstsein, in Fall des Falles in die Steueroasen der Welt, auf die Privatinsel, in eines ihrer hermetisch abgeriegelten privaten Anwesen, geschützt von privaten Sicherheitsdiensten, flüchten zu können. Zaghafte Aufruhrversuche der Normalbevölkerung (Erster Mai, Occupy, Demos) werden als Vorwand für verschärfte und lückenlose Bürgerüberwachung (Daten- und Bewegungsprofile) gern mitgenommen.
"Sie packen es nicht"
Derweil üben sich die Kommentatoren in den Medien in verzweifelter Kaffeesatzleserei: Was will die Kanzlerin? Was hat sie vor? Was plant Schäuble? Wer sagte was wann zu wem und warum. Zeugnis der Kapitulation. Die offenkundige Hilflosigkeit, wenn Kommentatoren und Netzforisten nicht sofort und auf Anhieb eine Position einordnen können, der Schrei nach Eindeutigkeit, das Stochern und Suchen nach Beweisen für die Zugehörigkeit zu einer linken oder rechten oder liberalen oder was weiß ich für eine Schublade. Wobei die Schubladen selber noch nicht einmal annähernd definiert sind. Diese Sehnsucht nach sofortigem Abkanzeln und Aburteilen. Diese servile Anbiederung, besonders in den Kommentaren zu Sarrazin und Guttemberg: "Ich habe dich verstanden, wir sind auf Augenhöhe". Diese infantile Stilisierung zu Heilsbringern.
Man
beachte, wie devote Unterwerfungsformeln und subjektive Bewertungen in der Presse
vorherrschen, wenn es darum geht, theoretische Positionen zu beleuchten.
"Brillanter Spitzenökonom" (Hans-Werner Sinn) – geht’s noch? Wo ist hier der Maßstab?
Wo die kritische Distanz? Man klammert sich lieber an die Person selbst anstatt
die Positionen kritisch zu bewerten. Notfalls wird die Kleidung und die Frisur beschrieben,
so als ob dadurch die Ideen greifbarer werden. Das ist kein Journalismus mehr, sondern Hofberichterstattung reinsten Wassers.
Auffällig die Bücher von "Kult"-Autoren wie beispielsweise Gunter Dueck, die Forderungen an die Allgemeinheit, die Masse der Bevölkerung stellen: immer im auktorialen,
selbsterhöhenden Wir-Modus: Wir müssen intelligenter werden, wir müssen
professioneller werden, wir müssen alle Macher werden, wir müssen mehr
MINT-Jobs schaffen (es gibt doch kaum noch andere!), damit wir in der Zukunft
bestehen können, gerne gekoppelt mit der Verächtlichmachung des Bestehenden,
im typisch überheblich-dringlichen Apokalypse-Duktus des Vordenkers und Querdenkers, des Sehers und Mahners. Dies muss so und so werden, immer
wieder müssen müssen, müssen. Es scheint in Deutschland ein großes Bedürfnis nach solchen Predigten von der Kanzel zu bestehen. Man lese sich bei Amazon einfach ein paar der Leserkommentare durch. Duecks Bücher werden von den Claqueuren (die
natürlich alle denken, sie seien persönlich angesprochen, sie gehören bereits
dazu, sie sind die Helden, die Elite von morgen) devot bejubelt und beweihräuchert. Wie unendlich groß muss die Bedürftigkeit dieser Dueck-Jünger sein. Selbsterhöhung durch totale Identifikation mit dem Guru, den Kultautor, dem Star unter den Stars. An diesem Beispiel lässt sich auch bestens studieren, wie der Bildungsbegriff von Vertretern der MINT-Fraktion missbraucht und pervertiert wird.
Auch immer wieder interessant zu beobachten: die Seitenhiebe auf missliebige Personen, indem man
biografische Details einfließen lässt wie eine kleinbürgerliche Herkunft. Nicht etwa, um die Person dadurch
aufzuwerten – das hätte man vielleicht noch vor 20, 30 Jahren wohlwollend getan
-, sondern im Gegenteil - besonders perfide – nicht nur die Person selbst, sondern auch ihre Thesen in ein schlechtes Licht zu rücken. Diese Haltung
disqualifizert sich durch ihre unzulässige Verquickung von Biografie und dem dargestellten Sachverhalt eigentlich von selbst, ist aber im heutigen vergifteten und intellektuell verwahrlosten Klima gängig geworden. Bildungsaufsteiger, pfui. Ich habe inzwischen sogar schon wieder das Pejorativum "Emporkömmling" gelesen. Soweit sind wir also schon. Dabei waren in der Generation 50+ solche Lebensläufe noch möglich, heute nicht mehr. Die
allgemeine Gehässigkeit im Tonfall ist neu, Demagogen haben wieder Zuspruch. Sie prügeln sich gerade darum, wer als erster 'ran darf. Genau wie
damals. Sachargumente dringen gar nicht mehr durch. Die Menschen wollen ohnehin keine Texte mehr lesen, sondern können nur noch schicke Infografiken, Videos und Fotostrecken verdauen.
Es hat sich eine - um eine typische
Journalistenfloskel zu gebrauchen - hochexplosive Gemengelage entwickelt. Die
Deprivation breiter Bevölkerungsschichten hat in Deutschland mit der Regierung
Kohl angefangen. Der erste Versuchsballon war die Deutsche Einheit. Biografien
wurden systematisch ausgelöscht, Menschenleben entwertet. Seit Jahren erleben
wir systematischen Ausschluss von Bildungs- und
Aufstiegschancen und Diskriminierung der Unterschichts- und Migrantenkinder.
Die Mittelschicht wird ausgepresst, weil der Staat jetzt schon kein Geld
mehr hat für seine Beamten und deren Pensionen. Die mittelständische Wirtschaft
wird mit bürokratischen Auflagen stranguliert. Ein Ausbeuter- und
Dumpinglohn-Arbeitsmarkt wird etabliert. Ohnmacht führt zu Wut, Wut zu
Aggression. Es ist mir unbegreiflich, wie es sein kann, dass selbst einfachste
kausale Zusammenhänge verleugnet oder ausgeblendet werden. Weniger Geld in der
Tasche bedeutet geringerer Konsum, bedeutet weniger Umsatz für die
Binnenwirtschaft, führt zu mehr Arbeitslosen, bedeutet noch weniger Konsum. Der
Staat muss einspringen, um das Existenzminimum zu sichern, muss sich das Geld
bei Banken leihen, macht sich abhängig von Exportgewinnlern, von unwägbaren
weltwirtschaftlichen Zwängen, schont die Vermögenden und die Großkonzerne,
etabliert ein ungerechtes Steuersystem, nimmt Steuereinnahmeeinbußen billigend
in Kauf. Die Folgekosten dieses Systems - Gewalt, Kriminalität, Verwahrlosung -
werden auf die Gemeinschaft abgewälzt. Der Staat muss sich weiter verschulden,
um Sicherheitstechnologie zu bezahlen, um drohende Aufstände aufgrund der
selbst installierten Ungerechtigkeit niederzuschlagen. Alles, weil eine
Handvoll Menschen den Hals nicht voll kriegt. Die Extremisten scharren bereits
mit den Füßen. Die medialen Umerziehungsmaßnahmen haben nur ein Ziel: Jeder
Bürger muss ein konsum- und statusgeiler Schuldner sein, sonst bricht das ganze
System zusammen. Wer einen Bankkredit abzuzahlen hat, ein Häuschen, eine
Familie, kann nicht mal so eben auswandern. Warum werden Auswandererzahlen
eigentlich nicht mehr veröffentlicht? Aus Angst vor einer Massenflucht? Wie
verhindert man eine Massenflucht? Durch Abhängigkeit. Das Steuersystem wird
absichtsvoll so kompliziert gehalten, damit jeder Bürger im Laufe seines Lebens
die Chance erhält, ein Strafverfahren zu riskieren. Der Staat verliert jedes Jahr Milliardenbeträge durch exzessive Steuerhinterziehung, Klüngel- und
Misswirtschaft, Korruption, organisierte Kriminalität - und nichts anderes ist
das sich selbsttragende Geflecht von Steueroasen, Schweizer Bankkonten und
Vermögensberatern - und gibt dafür Menschen zum Abschuss frei, die einen
Pfandbon, eine Frikadelle vom Buffet, ein paar hundert Euro Schwarzeinnahmen
unterschlagen haben.
Die deutsche Gesellschaft ist regressiv, infantil, debil und devot. Es herrscht eine mittlerweile unerträgliche Personalisierung der politischen Debatte. Gestandene Journalisten ergehen sich in Spekulationen über die Bedeutung von Sprechblasen: Was sagt Politiker x, was denkt Politiker y, was macht Politiker z, in völliger Ausblendung der Tatsache, dass in einem komplexen System kein Mensch jemals irgendwas alleine entscheiden kann und darf. Die Baby- und Jugendsprache hält Einzug in die öffentlichen Medien. Die deutschen Top Ten der Kinofilme sind schon seit längerem auf dem intellektuellen Niveau von Sechsjährigen. Die Ratgeberliteratur verweist auf einen immensen Bedarf an Zuwendung und Hilfe. Das Land bettelt und fleht um eine Führerschaft.
Deutschland ist kinderfeindlich, frauenfeindlich, altenfeindlich, fremdenfeindlich, geistfeindlich, arbeitnehmerfeindlich, feindlich gegenüber allen Menschen, die in irgendeiner Weise nicht der Norm entsprechen. Und was die Norm ist, definieren Männer mittleren bis fortgeschrittenen Alters mit konservativ-autoritär-partiarchalen Wertvorstellungen. Dies ist das Ergebnis 30jähriger systematischer Klientel-Politik. Und die deutschen Frauen kann man überhaupt nicht mehr ernst nehmen, die haben sich anpasst und unterworfen. Feigheit, Angst, Denunziantentum, Rückgratlosigkeit statt Integrität und Zivilcourage - das ist heute in Deutschland die Norm. Infantilismus und Autoritärer Sozialcharakter – eine schlimmere Kombination kann es kaum noch geben. Der Fall Rola El-Halabi ist nur ein Beispiel von Tausenden:
Die deutsche Gesellschaft ist regressiv, infantil, debil und devot. Es herrscht eine mittlerweile unerträgliche Personalisierung der politischen Debatte. Gestandene Journalisten ergehen sich in Spekulationen über die Bedeutung von Sprechblasen: Was sagt Politiker x, was denkt Politiker y, was macht Politiker z, in völliger Ausblendung der Tatsache, dass in einem komplexen System kein Mensch jemals irgendwas alleine entscheiden kann und darf. Die Baby- und Jugendsprache hält Einzug in die öffentlichen Medien. Die deutschen Top Ten der Kinofilme sind schon seit längerem auf dem intellektuellen Niveau von Sechsjährigen. Die Ratgeberliteratur verweist auf einen immensen Bedarf an Zuwendung und Hilfe. Das Land bettelt und fleht um eine Führerschaft.
Deutschland ist kinderfeindlich, frauenfeindlich, altenfeindlich, fremdenfeindlich, geistfeindlich, arbeitnehmerfeindlich, feindlich gegenüber allen Menschen, die in irgendeiner Weise nicht der Norm entsprechen. Und was die Norm ist, definieren Männer mittleren bis fortgeschrittenen Alters mit konservativ-autoritär-partiarchalen Wertvorstellungen. Dies ist das Ergebnis 30jähriger systematischer Klientel-Politik. Und die deutschen Frauen kann man überhaupt nicht mehr ernst nehmen, die haben sich anpasst und unterworfen. Feigheit, Angst, Denunziantentum, Rückgratlosigkeit statt Integrität und Zivilcourage - das ist heute in Deutschland die Norm. Infantilismus und Autoritärer Sozialcharakter – eine schlimmere Kombination kann es kaum noch geben. Der Fall Rola El-Halabi ist nur ein Beispiel von Tausenden:
"Viele gaben bei den Ermittlungen der Polizei an, nichts gesehen und nichts gehört zu haben. Das waren Menschen, die persönlich anwesend waren, während mein Vater Drohungen gegen mich ausgesprochen hat. Ich kann mir es nicht erklären, warum das so ist. Manche versuchten sich mit Loyalität herauszureden. Aber zu wem sollte man in so einem Moment loyal sein? Zum Täter oder Opfer? Ich habe von keinem verlangt, zu lügen oder meinen Vater unnötig zu belasten. Ich wollte einfach nur die Wahrheit. So wurde ich vor Gericht als Lügnerin dargestellt. Als ob ich die Vorabdrohungen erfunden hätte, um die Tat zu dramatisieren."
Die Bürger
leben in einer Blase. In dieser Blase basteln sie sich ihr beschränktes Weltbild zurecht, das mit dem der anderen Blasen nichts
mehr zu tun hat. Alte zu den Alten, Kranke zu den Kranken, Lehrer, Juristen, Ärzte unter sich. Gleich gesellt sich zu gleich, Segregation. Die Menschen haben nur noch mit ihresgleichen zu tun,
beruflich und privat. Und die größte Homogenität, das größte Ausmaß an geistiger Monokultur, an geistigem Inzest, an Negativ-Auslese finden wir auf der Entscheidungsträger-Ebene. Wenn sich das Mittelmaß
erstmal festgesetzt hat, wird man es nie wieder los. Mittelmaß wird vererbt
oder willentlich erzeugt einfach dadurch, dass man alle Nicht-Durchschnittlichen aussiebt
oder gar nicht erst hochkommen lässt. Alle Informationen, die der Blasen-Wirklichkeit widersprechen, alle kognitiven Defizite
werden als solche natürlich dann nicht mehr erkannt. Je größer die Blase,
desto größer der blinde Fleck. Und das, obwohl so viele Informationen, soviel Weltwissen wie noch nie jederzeit für jeden verfügbar sind. Wenn Politiker heute von "den Bürgern" reden, reden sie von ihrer eigenen Kaste, und nur die wird bedient, alles andere
außerhalb dieser Blase existiert nicht oder wird an Fachausschüsse delegiert, die dann wiederum von Lobbyisten
gesteuert werden.
Buckeln und treten
Die Verrohung und Gewalt wird weiter zunehmen, Gewalt gegen Schwächere: Frauen, Kinder, Tiere; gegen Minderheiten: Migranten, Homosexuelle, Moslems, Juden. Überhaupt ist ja der Trend zum Import polnischer, russischer oder philippinischer Gattinnen oder auch der Zwang, sich unbedingt ein Haustier anzuschaffen, vor allem in der Stadt, wo Tiere eigentlich kaum einen Nutzwert haben, vorzugsweise Hunde, weil die so schön servil sind, abhängige Wesen, an denen man so komfortabel seinen Frust abarbeiten kann, ein Symptom für die aufgestaute Wut, die sich ein Ventil sucht. Auch manche sozialpolitische Drohung und ihr beifälliges Echo in den Medien entbehren nicht eines gewissen sadistischen Auslebens von Wut und Hass. Quälen und Schikanieren, ohne dafür in irgendeiner Weise belangt werden zu können, das macht Spaß, erfüllt die narzisstisch Gestörten mit tiefster Genugtuung. Macht sie fertig! Macht sie klein! Damit ich selber groß sein kann. Man möchte lieber nicht wissen, wie viele von denen, die im Moment über die Banker mit aller gebotenen moralischen Entrüstung schimpfen, sich insgeheim wünschen, einmal selber an der Stelle derer zu sein, die mit ihren Geschäften Volkswirtschaften in den Ruin treiben, die Gott spielen, die sich am unverschuldeten Elend der Menschen ergötzen und aufgeilen, um so endlich Rache nehmen zu können für die Demütigung durch das System.
In Online-Threads wie diesem tobt sich der autoritäre Charakter aus. In den von Schreibfehlern wimmelnden Kommentaren wütet Abstiegsangst in der Maske des Fremdenhasses. Es ist der Hass der Deprivierten gegen die, von denen er selber nicht mehr weit entfernt ist. Wie viele von den Foristen sind selber arbeitslos (man beachte die Uhrzeiten der Posts) und Alkoholiker? Im Schutz der Anonymität ertönt der Ruf nach Streichung der Stütze, nach Zwangsarbeit.
Was in diesem Land spätestens seit der Wende abläuft, ist ein Raubzug. Die Deutschen
werden geplündert, enteignet. Lohnarbeit wird mehr als doppelt so hoch
besteuert wie Kapitalerträge. Rentenansprüche werden durch verlängerte Lebensarbeitszeit gekürzt, an das gesunkene Lohnniveau angepasst, ohne Inflationsausgleich, gebrochene Erwerbsbiografien, massive Altersdiskriminierung ab 50, Minijobs statt sozialversicherungspflichtige Arbeit, Herdprämie, sprich Betreuungsgeld. Und das mühsam zusammengesparte Eigenheim und die Lebensversicherungen gehen für die Pflegekosten drauf. Alles seit Jahrzehnten absehbar,
berechnet, vorhergesagt. Nichts ist passiert. Politik und Wirtschaft wollen es so!
Die untere
Schicht ist mit ihrem eigenen Elend vollauf beschäftigt, die Normalverdiener
jagen treudoof einer Wurst hinterher, die für sie immer unerreichbarer wird,
und all dies nur, damit das obere Zehntel weiterhin seine Ruhe hat.
Zwischendurch - die Politiker, wie wir alle wissen, gehen da mit gutem Beispiel
voran - wird für das einfache Volk ein Feindbild in den Ring geworfen (die
arbeitende Bevölkerung darf auf Harz4ler eindreschen, die Unterschichten auf
die Moslems), als Ventil für die aufgestaute Wut derjenigen, die sich um ihre
Lebenschancen betrogen fühlen. Ob dies zu Recht oder unrecht, spielt keine
Rolle, die Wut ist da und sie sucht sich ihren Weg.
Immer und
immer wieder dieselbe Leier: In der Krise sollen die Arbeitnehmer auf Lohn
verzichten, um Arbeitsplätze zu retten. Und wenn der nächste Aufschwung kommt,
sollen sie auf Lohnerhöhungen verzichten, um den Aufschwung nicht abzuwürgen. Bis
zur nächsten Krise. Im Dumpinglohnparadies Deutschland werden die Exportüberschüsse auf Kosten der Mitarbeiter erzielt, andere Nachbarländer werden durch die Verweigerung eines Mindestlohnes in die Knie gezwungen. Ganze Branchen können nur Gewinn erzielen durch den Einsatz von Arbeitssklaven aus osteuropäischen Ländern, wären sonst eigentlich nicht mehr wettbewerbsfähig, müssten eigentlich vom Markt verschwinden.
Der
sogenannte Eckrenter (männlich!) ist mittlerweile ein Mythos, Altersarmut
betrifft fast nur Frauen, deshalb kümmert es auch niemanden in diesem
patriarchal-autoritären Land. 45 berufsjahre am Stück wird es in Zukunft nur
noch bei Beamten und im öffentlichen Dienst geben. Sie wissen einfach nicht mehr, woher sie die Melkkühe für ihre überhöhten Pensionsansprüche nehmen sollen. Die Statistiken
zur Lebenserwartung sind geschönt, weil es sich um Medianwerte handelt. Eine kleine Gruppe wird tatsächlich immer älter, und das sind die Beamten höherer und
gehobener Laufbahnen, und Großverdiener oberhalb der Bemessungsgrenze. Der Rest
stirbt pünktlich kurz nach dem Renteneintrittsalter, so wie es von der Politik
und den Großkonzernen geplant ist. Sozial verträgliches Frühableben.
Manches Phänomen erscheint heute wie eine Wiederauflage des Spätmittelalters in Europa ab 1300. Klimatisch fand die kleine Eiszeit statt. Auch damals eine Krisen- und Umbruchszeit. Bürgerkriege, Aufstände, Völkerwanderungen, Seuchen
und Hungersnöte, Missernten. Apokalyptiker. Spaltung der Kirche, Aberglaube, Spiritualismus, Judenverfolgung, aber auch eine Blüte der Kunst und Wissenschaft.
Authentizität
ist ein Wert, ebenso wie Selbstbestimmung. Diese Werte dürfen aber nur von den "Eliten" gelebt werden. Authentisch sein kann man heute nur mit Geld, Status, Macht, Prominenz. Jeder andere setzt sich damit einer Hexenjagd aus,
gilt als sozial unangepasst. Wir haben jetzt also auch eine Zweiklassen-Psychologie
und -pathologie. Ein
selbstbestimmtes authentisches Dasein ist in den Industrieländern, in Deutschland insbesondere nicht mehr möglich. Alle früheren Nischen sind wegrationalisiert,
ökonomisiert oder stigmatisiert worden. Für die Authentischen bleibt nur noch
das totale gesellschaftliche Abseits, oder die Psychiatrie.
Dann verdienen wenigstens die Therapeuten noch an ihnen. Es sei denn, sie haben
das Glück, narzisstisch gestört, sprich größenwahnsinnig und
soziopathisch zu sein, dann passen sie auf einmal wieder wunderbar ins Schema. Und dies alles in einer Zeit, in der angeblich jeder nach Authentizität schreit. Ein Paradox. Jeder hält
sich für selbstbestimmt, frei und unabhängig und läuft doch ständig jeder Mode
hinterher. Alle sind sie nur Jack Wolfskin-Jackenträger, iPhone-Halter, Ikea-Shopper, Facebook-Freundesammler. Der Selbstbetrug ist systemimmanent.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist auf dem Weg ins Berlusconi-TV. Überbezahlte Trash-Moderatoren, Volksverdummung, alberne Spielshows, Info-Schrott. Alle
anspruchsvollen Sendungen wurden ausgelagert ins Spätprogramm zu Zeiten, an denen kein
normaler Arbeitnehmer mehr fernsehen kann. Die Rundfunkanstalten sind öffentlich-rechtliche Verwaltungsgemeinschaften, die den extrem aufgeblähten, von Parteienfilz
korrumpierten Medienapparat nur noch mit Schnüffel-Zwangsmethoden
aufrecht erhalten können. Für Menschen ohne Radio, ohne TV, ohne Internet - die gibt es tatsächlich - handelt es sich bei der Neuordnung als
"Haushaltsabgabe" um eine reine Zwangssteuer: Zahlzwang ohne Gegenwert.
Den angezählten Systemkritikern, Moralisten, Idealisten, "Gutmenschen", die seit Jahren gegen eine Übermacht des öffentlichen Konsens, gegen die manipulierte Mehrheitsmeinung
ankämpfen, hält man eine Wurst vor die Nase und lockt mit Versprechungen. Mach
einfach bei uns mit, und du wirst reichlich belohnt werden. Du musst auch mal
an dich denken und an deine Familie. Du bist für das Elend der Welt nicht verantwortlich. Das Leben ist kurz! Hier ist deine Chance, nutze sie! Carpe diem. Deshalb gibt es unter den Linken so viele Umfaller. Deshalb
sind die linken Intellektuellen weitgehend verstummt oder in einer Schockstarre.
Warten auf Godot
Hysterie bricht aus angesichts der Verzögerung bei der ESM-Ratifizierung. Wenn die Geldpartei FDP aufschreit, kann man erahnen, was für das Großkapital auf dem Spiel steht. Es werden Drohszenarien an die Wand gemalt. Es wird dem Gericht der warnende Zeigefinger gezeigt: Du, wenn du nicht genau das machst, was ich will, passiert was ganz schlimmes! Es wird den Bundesverfassungsrichtern Inkompetenz und Ignoranz unterstellt. Wo doch alle wissen müssen: Diese Situation ist historisch einmalig. Hier gibt es keine Patentrezepte. Hier haben Menschen offenbar eine Scheißangst, dass ihnen die Felle wegschwimmen. Die haben sich überhaupt nicht mehr im Griff. Angst ist die Matrix des Fühlens und Denkens in den Köpfen des 21. Jahrhunderts, nackte oder eingebildete Existenz- und Zukunftsangst. Das Reptilienhirn hat die Herrschaft über den Neokortex übernommen. Milliarden Menschen wimmeln jetzt starr vor Angst auf diesem Planeten herum, der ächzt und stöhnt angesichts der aufsteigenden Panik.
Ein nicht
beschlussfähiger Bundesrat peitscht (während eines Fussballspiels Deutschland – Niederlande) ein neues verfassungswidriges Meldegesetz durch. Die Grundrechte
werden nur noch vom Bundesverfassungsgericht geschützt.
Der hysterische Tonfall in der öffentlichen Sphäre erinnert an Weimar. Die
Nerven liegen blank. Als erstes kippen die Nachdenklichen um, die Intelligenten, die
ganzheitlich Denkenden, die mit dem kleinstmöglichen blinden Fleck, weil sie als eben jene ganzheitlich Denkenden alle Interdependenzen, Verflechtungen, alle Aspekte, das ganze ungeheuerliche Ausmaß des Dilemmas wenn
nicht durchanalysieren, so doch zumindest erahnen - ausgerechnet die, die am
meisten gebraucht werden.
Wie reagieren Menschen, die sich ihr Leben lang ausschließlich durch ihren materiellen Besitz, ihren gesellschaftlichen Rang definiert haben und denen dieser "Besitz" plötzlich genommen oder wertlos wird? Wie reagieren Menschen, die ihre narzisstische Geltungssucht in Internet-Hassforen, in "sozialen" Netzwerken ausagieren, wenn der Strom ausfällt? Wenn Panik ausbricht, weil im Hamburger Raum mal für ein paar Stunden ein Handynetz ausfällt, dann kann sich der Phantasiebegabte,
von denen es auch immer weniger gibt, vorstellen, was passiert, wenn einmal für
ein paar Tage oder Wochen der Strom, das Netz oder die Wasserversorgung ausfällt. Diese Gesellschaft ist gar nicht mehr überlebensfähig.
Bananenrepublik?
Mich erinnert das alles eher an russische Verhältnisse. Eine "gelenkte
Demokratie", eine Lobbykratie im Verbund mit Großindustriellen
und Finanz-Oligarchen, für den Rest der Bevölkerung bleibt nur die Tausch- und
Subsistenzwirtschaft. In punkto Leidensfähigkeit stehen
die Deutschen den Russen jedenfalls in nichts nach.
Die Bürger
haben sich in Geiselhaft nehmen lassen und erpressbar gemacht. Man sollte
sich allmählich fragen, welche Rezepte die Parteien gegen ihre schwindende
Mitgliederzahlen und gegen die Nichtwähler haben. Denn eins ist sicher, die
haben welche. Wir werden ja bereits heute durch Begriffe wie
"Post-Demokratie" subtil auf ganz andere Zeiten vorbereitet. Und wir
kennen ja das Sendungsbewusstsein der Parteien, denen es ja bei ihrer Abwehr
plebiszitärer Elemente bei der politischen Willensbildung immer nur ganz
selbstlos darum geht, das Volk vor seiner eigenen Dummheit zu schützen. Welche
Staatsform soll es denn diesmal sein?Deutschland hat ja bereits so einiges
durchprobiert.
James Madison (4. amerikanischer Präsident von 1809-1817) schrieb in den "Federalist Papers" 1787/88 (Nr. 47): „The accumulation of all powers, legislative, executive, and judiciary, in the same hands, whether of one, a few, or many, and whether hereditary, selfappointed, or elective, may justly be pronounced the very definition of tyranny“.
Die Wahrheit ist schlicht und
ergreifend: Die Welt ist zu voll, Deutschland ist zu voll für all die Irren und Psychopathen. Wir sind wie die armseligen Hühner in den Legebatterien.
Dieselben Stresssymptome, das Aufeinander rumhacken, das Sich Gegenseitig
fertigmachen, der Futterneid, die Enge, der Mangel an Auslauf, an Ruhe
inmitten des nervtötenden permanenten, immer schriller, lauter und hysterischer
werdenden Gegackers, inmitten der Ohnmacht, keinen Ausweg zu finden aus diesem Grauen,
dem Leben, dieser Haftstrafe, diesem Gefängnis.
Das einzige, was die Politiker jetzt noch zum Nachdenken bringen könnte, wäre eine Auswanderungswelle etwa wie die vor dem 2. Weltkrieg, wenn dem Staat seine Steuer- und Abgabenpflichtigen buchstäblich davonlaufen. Appelle an ein nicht mehr existentes Verantwortungsgefühl sind sinnlos. Geld ist das einzige, womit man sie noch treffen kann.
Das einzige, was die Politiker jetzt noch zum Nachdenken bringen könnte, wäre eine Auswanderungswelle etwa wie die vor dem 2. Weltkrieg, wenn dem Staat seine Steuer- und Abgabenpflichtigen buchstäblich davonlaufen. Appelle an ein nicht mehr existentes Verantwortungsgefühl sind sinnlos. Geld ist das einzige, womit man sie noch treffen kann.
Aber auf der Welt gibt es nur
noch wenige Refugien für Anständige: Skandinavien, Neuseeland, eventuell noch Kanada. Das war's. Und warum? Weil die Länder so dünn
besiedelt sind, die "Märkte" so unbedeutend, dass sich eine Übernahme
und Ausbeutung durch den Raubtierkapitalismus schlicht nicht lohnt. Das Freiluftgefängnis Deutschland hingegen ist fette Beute, da langt man doch gern zu.
So ähnlich könnte man
sich wohl das Ende der Osterinsel-Population vorstellen, als einer der Inselbewohner bei klarem Bewusstsein ganz gezielt den letzten Baum fällte,
nur um dem feindlichen Clan nichts als verbrannte Erde zu hinterlassen.
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